Update Energiepreispauschale (EPP) – Steuerbar oder doch nicht …?

Ein Beitrag von Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

In einem mit Spannung erwarteten Musterprozess hat das FG Münster (Urteil v. 17.4.2024 – 14 K 1425/23 E) entschieden, dass Arbeitnehmern die seit September 2022 gewährte EEP im Rahmen von § 19 EStG steuerpflichtig und nach § 119 EStG nicht verfassungswidrig ist. Allerdings wurde die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Was ist betroffenen EEP-Empfängern in dieser Situation zu raten?

Hintergrund

Nach der vom Gesetzgeber mit dem Steuerentlastungsgesetz vom 23.5.2022 beschlossenen einmaligen steuerpflichtigen Energiekostenpauschale (EEP) von 300 Euro und der Ausweitung der EEP für Rentner und Versorgungsempfänger hat der Bund mit dem EPPSG vom 16.1.2022 mit Wirkung vom 21.12.2022 auch eine einmalige EEP für Studierende und Fachschüler in Höhe von 200 Euro beschlossen – ich habe hier im Blog berichtet. Ab dem 1.9.2022 erhielten alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen in den Lohnsteuerklassen I – V einmalig eine Energiepreispauschale von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt, der über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgezahlt wurde; erfolgte keine Auszahlung, war die EEP im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2022 geltend zu machen. Bislang wird nur die EEP für Studierende und Fachschüler steuerfrei ausgezahlt. Über die Steuerfreiheit der EEP im Übrigen wird nach wie vor gestritten.

Steuerpflicht der EEP nach wie vor umstritten

Das FG Münster hat als erstes Finanzgericht zur Frage der EEP-Steuerbarkeit entschieden und diese bejaht. Der Gesetzgeber hat mit § 19 Abs. 3, § 119 Abs. 1 GG eine konstitutive Entscheidung für die Steuerpflicht der EEP getroffen, die von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.

Dem wird von der Wissenschaft entgegengehalten, der Zufluss der Energiepreispauschale stelle keine (Gegen-)Leistung für ein Tun, Dulden oder Unterlassen dar und es fehle an jeglichem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer der in § 2 Abs. 1 EStG abschließend aufgezählten sieben Einkunftsarten. Der Gesetzgeber habe durch die in § 19 Abs. 3 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c EStG geschaffene gesetzliche Fiktion eine (unzulässige) ausweitende Steuerbarkeit von Einnahmen erreicht.

Wie sollten sich EEP-Empfänger jetzt verhalten ?

Das brandaktuelle Urteil des FG Münster sollte betroffene Empfänger der EEP nicht abhalten, gegenüber dem Finanzamt durch Einspruch gegen entsprechende Steuerescheide und Anträge auf Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 1 AO zustellen.

Die Finanzverwaltung ist zwar bislang der Ansicht, dass mangels eines anhängigen Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht die Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 AO nicht gegeben seien. Zudem wird unter Berufung auf die Entscheidung des BFH 6.10.1995 – III R 52/90, BStBl 1996 II S. 20 die Ansicht vertreten, das Interesse des Steuerpflichtigen, den Steuerfall offen zu lassen, um an späteren Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen teilzunehmen, stelle keinen wichtigen Grund i. S. von § 363 Abs. 2 S. 1 AO dar.

Allerdings ist die Steuerpflicht der EEP nicht nur in der Fachliteratur aus steuersystematischen Gründen umstritten (siehe nur Stöckel, NWB 2024 S. 166 ff. mit Streitstand). Auch politisch wird diese Ansicht vertreten, weswegen letztes Jahr die CDU/CSU-Fraktion unlängst von der Bundesregierung forderte (BT-Drs. 20/6910), Vorschläge vorzulegen, wie auf die Besteuerung der Energiepreispauschale 2022 rückwirkend verzichtet werden könne. Denn bereits im Zusammenhang mit der Energiepreispauschale und der Einführung der §§ 112 ff. EStG blieb die geäußerte Kritik ohne Wirkung (Anhörung zum Entwurf des StEntlG 2022, Protokoll Nr. 20/7 der Sitzung des Finanzausschusses v. 25.4.2022, Anlage 2: BVL Stellungnahme v. 22.4.2022 und Anlage 3: Stellungnahme Deutscher Finanzgerichtstag e.V. v. 21.4.2022), weswegen jetzt ein rückwirkender gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf gesehen wird.

Außerdem ist inzwischen wegen der Steuerpflicht der EEP (dort für Rentner) ein weiteres finanzgerichtliches Verfahren anhängig (FG Mecklenburg-Vorpommern – 3 K 231/23) anhängig, auf das sich Steuerpflichtige berufen können.

Vor diesem Hintergrund sprechen Praktikabiltätserwägungen dafür, dass Finanzämter auf Antrag eine stilllschweigende Aussetzung des Verfahrens billigen. Spätestens aber mit Einlegung der Revision gegen das FG Münster-Urteil und Bekanntgabe des BFH-Aktenzeichens ist Aussetzungsanträgen stattzugeben, bis höchstrichterlich entschieden ist, ob die EEP nun steuerbar ist oder aber eben nicht.

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