Update: EU-Lieferkettengesetz vor dem Aus?

Die FDP will im EU-Ministerrat „in letzter Minute“ die Verabschiedung der sog. EU-Lieferketten-Richtlinie blockieren. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Hintergrund

Ich hatte bereits im Blog berichtet: Die EU-Kommission hatte am 23.2.2022 den Entwurf einer RL zur nachhaltigen Unternehmensführung, den Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die neben Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auch menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten definiert. Betroffene Unternehmen müssen danach entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risiken ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten; dies gilt auch für vorgelagerte Ketten (z.B. Rohstoffabbau) wie nachgelagerte Ketten (Entsorgung).

Am 14.12.2023 hatten sich die Verhandlungsführer von EU-Rat und EU-Parlament über die CSDDD (sog. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt, deren Inhalt die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG, v. 16.7.2021, BGBl. I S.2159) noch verschärft; das deutsche LKSG müsste bei Umsetzung der EU-Lieferketten-RL angepasst werden.

Reichweite der unternehmerischen Verantwortung nach der CSDDD

Über das LKSG hinausgehend erfasst die CSDDD folgende Unternehmen:

  • Unternehmen ab 500 Arbeitnehmer*innen und 150 Mio. € weltweitem jährlichen Nettoumsatz,
  • Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer*innen mit einem Jahresumsatz von mindestens 40 Mio. €, wenn sie mindestens 20 Mio. € ihres Umsatzes in einem Risikosektor tätigen. Zu Risikosektoren zählen etwa Textil, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittel, Chemie, Gewinnung mineralischer Ressourcen (z.B. Rohöl, Erdgas, Kohle, Metalle und Erze).
  • Unternehmen aus einem Drittstaat, wenn sie entweder mehr als 150 Mio. € Nettojahresumsatz in der EU oder aber 40 – 150 Mio. € Nettojahresumsatz in der EU und mindestens 20 Mio. € ihres weltweiten Umsatzes in einem Risikosektor erzielen.

Die Durchsetzung der RL-Inhalte umfasst eine Kombination aus behördlicher Kontrolle, Bußgeldbewehrung bis hin zur zivilrechtlichen Haftung. Über Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen werden von der geplanten CSDDD auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mittelbar erfasst.

FDP will Einigung im EU-Ministerrat blockieren

Die Bundesregierung hat die im Dezember 2023 auf EU-Ebene erzielte Einigung bislang mitgetragen. Am 1.2.2024 haben sich aber die FDP-Minister Buschmann und Lindner aber öffentlich gegen die CSDDD positioniert. Bleibt es dabei, wird die Bundesregierung bei der für den 9.2.2024 geplanten Schlussabstimmung des EU-Ministerrats die Zustimmung verweigern. Die CSDDD wäre dann jedenfalls vorläufig gescheitert, könnte aber auf EU-Ebene noch nachgebessert werden.

Bewertung

Das sog. EU-Trilog-Ergebnis würde nach FDP-Sicht dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Eine verdeckte umweltrechtliche Generalklausel führe zu einer weitreichenden unternehmerischen Verantwortung für Umweltschäden und zwar unabhängig von einer konkreten Auswirkung auf Menschen. NGOs würden im Umweltbereich die Möglichkeit erhalten, Beschwerden bei unternehmenseigenen Beschwerdemechanismen einzulegen, die auf Wiedergutmachung ausgerichtet sind, auch wenn sie nicht in eigenen Rechten betroffen sind. Schließlich wären nach der CSDDD deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach derzeitiger deutscher Rechtslage.

Diese Kritikpunkte scheinen mir plausibel, auch wenn die Verweigerungshaltung früher hätte kommuniziert werden sollen und Deutschland innerhalb der EU nunmehr als Blockierer gilt, wenn die CSDDD scheitert. Allerdings haben schon die die Wirtschaftsverbände, allen voran die DIHK im Sommer 2023 auf die Unausgegorenheit und Unverhältnismäßigkeit der geplanten EU-Regelungen hingewiesen und zu Recht Nachbesserung gefordert. Auf EU-Ebene sollte bei den weiteren Verhandlungen auch darauf geachtet werden, dass die europäischen Unternehmen – bei aller gutgemeinten Absicht – gegenüber anderen global agierenden Volkswirtschaften, die nicht von der CSDDD erfasst wären, nicht einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsnachteil erfahren. Fazit: Lieber vorerst keine EU-CSDDD als eine schlecht gemachte, die über das Ziel hinausschießt.

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