Update Finanzanlagenvermittler: Übertragung der Aufsicht auf die BaFin vor dem Aus!

Schon im Koalitionsvertrag hatte die SPD gefordert, die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler zu zentralisieren und zum 1.1.2021 auf die BaFin zu übertragen. Dieser Plan droht jetzt im Gesetzgebungsverfahren endgültig zu scheitern – eine Standortbestimmung.

Hintergrund

In Deutschlandweit gibt es rund 38.000 Finanzanlagenvermittler. Als Gewerbetreibende benötigen sie neben der Gewerbeanzeige (§ 14 GewO) auch eine besondere Erlaubnis nach § 34f GewO. Nach Schätzungen der Länder haben rund 80 Prozent der Finanzanlagenvermittler zusätzlich eine Erlaubnis als Versicherungsvermittler nach § 34d GewO (BT-Drs. 19/18217 v. 16.3.2020). Für den Vollzug des § 34f GewO und damit die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler sind die Länder zuständig. Während bei den Versicherungsvermittlern (§ 34d GewO) bundesweit die IHKn zuständig sind, haben die Länder bei den Finanzanlagenvermittlern die Aufgabe in sieben Ländern den Gewerbeämtern, in den neuen Ländern hingegen auf die IHKn übertragen (BR-Drs. 163/20 v. 15.5.2020).

Regierungsentwurf sieht Übertragung auf BaFin vor

Nach dem Regierungsentwurf für ein „Gesetz zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)“ soll eine Angleichung an die Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfolgen; dies soll in einem wettbewerbsintensiven Markt eine einheitliche Aufsicht ermöglichen (BT-Drs. 19/18794 v. 27.4.2020; BR-Drs. 163/20 v. 3.4.2020). Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater sollen danach künftig zentral von der BaFin beaufsichtigt werden. Die bisherige, zersplitterte Aufsichtsstruktur mit Industrie- und Handelskammern sowie Gewerbeämtern werde der zunehmenden Komplexität des Aufsichtsrechts und den Anforderungen an eine auf diesem Gebiet spezialisierte und wirksame Aufsicht sowie auch den Anforderungen des Anlegerschutzes nicht gerecht.

Zu den Kosten der Umstellung heißt es im Gesetzentwurf, es werde ein einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 5,2 Millionen Euro sowie ein laufender Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 36,4 Millionen Euro jährlich entstehen. Die betroffenen Unternehmen würden durch die Pflicht zur Zahlung einer Umlage sowie von Gebühren und Kosten an die Bundesanstalt mit insgesamt rund 36,4 Millionen Euro jährlich belastet. Die einmaligen Kosten in Höhe von rund 5,2 Millionen Euro müssten ebenfalls von den betroffenen Gewerbetreibenden getragen werden. Andererseits komme es bei den betroffenen Unternehmen zu Entlastungen durch den Wegfall bisheriger Aufsichtskosten, so dass es nach Ansicht der Bundesregierung „nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung kommen wird“ (BT-Drs. 19/18794 v. 27.4.2020).

Scharfe Kritik an den Regierungsplänen

Der Nationale Normenkontrollrat bemängelt in seiner Stellungnahme, eine nachvollziehbare und verständliche Darstellung des Ziels und vor allem der Notwendigkeit der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin sei nicht in ausreichendem Maße erfolgt und entsprechend belegt. Auch habe sich das BMF nicht mit möglichen Regelungsalternativen auseinandergesetzt. Der Nationale Normenkontrollrat erinnert in seiner Stellungnahme an eine Erklärung des Vertreters der BaFin in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 6.7.2011. Der BaFin-Vertreter habe zur Frage, ob die Gewerbeaufsicht oder die BaFin der geeignete Aufseher sei, sehr deutlich gemacht, „dass eine dezentrale Lösung vorzuziehen ist“. Auch nach Ansicht der Wirtschaftsministerien von Hamburg und Baden-Württemberg sowie einiger Verbände seien strukturelle Defizite bei der bisherigen Aufsicht durch die Industrie- und Handelskammern beziehungsweise durch die Gewerbeaufsichtsämter nicht bekannt geworden. Nicht einmal der Bundesregierung selbst seien von Finanzanlagenvermittlern verursachten Schadensfälle bekannt. In Ihrem Antrag mit dem Titel „Qualifizierte Finanzberatung ortsnah und kostengünstig erhalten“ (BT-Drs. 19/18861 v. 29.4.2020) fordert die FDP-Fraktion, auf die geplante Zentralisierung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler bei der BaFin zu verzichten und den entsprechenden Gesetzentwurf zurückzuziehen. Stattdessen solle die Bundesregierung einen Gesetzentwurf erarbeiten, welcher die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung vollständig auf die Industrie- und Handelskammern überträgt.

Bundesrat fordert weitere Evaluierung

Der Bundesrat hat sich am 15.5.2020 mit dem Thema befasst (BR-Drs.163/20; 163/1/20). Der Wirtschaftsausschuss lehnt die Übertragung auf die BaFin vollständig ab: Es lägen keine Missstände vor, die eine Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erforderlich machen würden. Die bisherige Regelung habe sich bewährt. Eine Übertragung auf die BaFin wäre mittelstandsfeindlich und würde auch aus Sicht des Verbraucherschutzes keine Verbesserung bringen. Der Bundesrat macht sich auch die Bedenken des Nationalen Normenkontrollrats zu eigen.

Im Finanzausschuss war ein gespaltenes Meinungsbild das Ergebnis. Dem Vorschlag des Finanzausschusses folgend (BR-Drs. 163/1/20 Nr. 2) soll jetzt zunächst eine Evaluierung der bisherigen Arbeit der IHKs beim Thema Finanzanlagenvermittler abgewartet werden: Es sei unklar, wie die Vereinheitlichung der Aufsicht bei der BaFin finanziell und organisatorisch tatsächlich umgesetzt werden soll. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, den tatsächlichen Personalbedarf und die jährlichen Kosten, die durch die BaFin-Aufsicht für die Wirtschaft tatsächlich entstehen werden, erneut zu prüfen. Eine besondere Eilbedürftigkeit, eine beschleunigte Behandlung des Gesetzentwurfs rechtfertigen, ist nach Ansicht des Bundesrates nicht ersichtlich. Gerade unter den Bedingungen der Corona-Krise seien auch Finanzwirtschaft und Aufsichtsbehörden damit beschäftigt, die finanziellen Auswirkungen der Krise zu bewältigen. Die Übertragung der Aufsicht auf die BaFin erfordere eine bessere Vorbereitung. Eine angemessene parlamentarische Beratung sei in dem als eilbedürftig eingebrachten Gesetzentwurf aktuell nicht gewährleistet. Von der weiteren Beratung des Gesetzentwurfes sollte aus Sicht des Bundesrates deshalb zunächst abgesehen werden.

Wie ist der aktuelle Sachstand?

In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates kündigt die Bundesregierung eine nochmalige Prüfung der Kosten und Personalkalkulationen im Rahmen des Gesetzgebungsvorhabens an (BT-Drs.19/19364 v. 20.5.2020). Insgesamt unterstreicht sie ihre Ansicht, dass eine Aufsichtsübertragung erforderlich sei. Die bestehende organisatorische Zersplitterung der Aufsicht könne sich negativ auf deren Einheitlichkeit und Qualität sowie den Anlegerschutz auswirken. Im Übrigen aber hält die Bundesregierung an ihrer bisherigen Zielsetzung der Aufgabenübertragung an die BaFin fest.

Der Bundestag sollte abschließend am 19.6.2020 in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurfs beraten und beschließen, allerdings wurde dieser Tagesordnungspunkt abgesetzt. Nun soll sich der Finanzausschuss des Bundestages am heutigen 1.7.2020 abermals mit dem Thema befassen. Das bedeutet, dass erst nach der parlamentarischen Sommerpause mit einem Gesetz zu rechnen ist – wenn überhaupt. Wegen der der damit verbundenen Termindichte ist kaum mehr damit zu rechnen, dass – wie ursprünglich beabsichtigt – eine Aufgabenübertragung auf die BaFin zum 1.1.2021 umsetzbar ist.

Bewertung

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Übertragung der Zuständigkeit auf die BaFin ist ein schlecht vorbereiteter „Schnellschuss“. Schon der Normenkontrollrat hatte bemängelt, dass es keine hinreichenden Gründe für eine Notwendigkeit der Zuständigkeitsübertragung auf die BaFin gebe. Das Interesse an einer wirksamen Aufsicht über Finanzanlagenvermittler ist angesichts eines wirksamen Anlegerschutzes zwar zu begrüßen. Allerdings können die IHKn und örtlichen Gewerbeämter aufgrund ihrer Ortsnähe die Aufsicht viel effektiver gewährleisten als die BaFin. Hinzu kommt, dass eine Übertragung der Aufsicht auf die BaFin eine erhebliche Kostenmehrbelastung mit sich brächte: Die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass die von Finanzanlagenvermittlern zu tragenden Aufsichtskosten rund 36,4 Mio. Euro betragen werden, hinzu käme ein immenser wiederkehrender Erfüllungsaufwand im Jahr (BT-Drs. 19/18217 v. 16.3.2020). Nach Ermittlungen der Kammern liegen die derzeitigen Kosten bei rund 586 Euro für einen Wirtschaftsprüfer und die beaufsichtigende IHK; bei der BaFin hingegen würden sich die Kosten auf bis zu 5.670 Euro vervielfachen, kritisiert zu Recht der DIHK. Bewährte Strukturen zerstört man nicht ohne Not, erst recht nicht, wenn die Änderung zu einer ausufernden finanziellen Belastung der Gewerbetreibenden führen würde. Im Übrigen scheint es besser, wenn sich die Aufsicht der BaFin nicht auf das Massengeschäft konzentriert, sondern auf die Beaufsichtigung systemrelevanter großer Marktteilnehmer – die Insolvenz des DAX-Unternehmens Wirecard lässt grüßen!

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