Verfassungsmäßigkeit der Bundesnotbremse und die Folgen für die Wirtschaft

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 19.11.2021 (1 BvR 781/21, veröffentlicht am 30.11.2021) die Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in der gesetzlichen „Bundesnotbremse“ vom April 2021 zurückgewiesen.

Was bedeuten die Entscheidungen für die Wirtschaft?

Hintergrund

Mit dem 4. Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.4.2021 (BGBl 2021 I S.802) hat der Gesetzgeber für einen Zeitraum von gut zwei Monaten bis 30.6.2021 bußgeldbewehrte Ausgangsbeschränkungen (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 IfSG) sowie bußgeldbewehrte Kontaktbeschränkungen (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG) zur Eindämmung der Corona-Pandemie eingeführt. Die beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers. Dieses diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen.

Was hat das BVerfG entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen anhand der allgemein für sämtliche mit Grundrechtseingriffen verbundenen Gesetze geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft. Danach waren die zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen „in der äußersten Gefahrenlage“ der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig.

Was folgt hieraus jetzt für die Wirtschaft?

Zwar waren die gegen die gesetzlichen Beschränkungen von Freizeit- und Kultureinrichtungen, Ladengeschäften, Sport und Gaststätten erhobenen Verfassungsbeschwerden (1 BvR 798/21) wegen fehlender substanzieller Begründung bereits unzulässig. Dennoch haben die BVerfG-Entscheidungen auch für Wirtschaftsunternehmen weitreichende und grundsätzliche Bedeutung, jedenfalls in Wirtschaftsbranchen wie Hotellerie, Gastronomie und Handel, die von Beschränkungsmaßnahmen wie etwa 2 G bzw. 2 G Plus konkret betroffen sind.

Hierbei ist aber zu differenzieren: Unternehmen sind direkt betroffen und in grundrechtlichen Freiheiten berührt, wenn – wie zu Beginn der Pandemie – staatliche Schließungsanordnungen unmittelbar gegen Betreiber von Wirtschaftsbetrieben wie Bars oder Diskotheken, die schon jetzt in der 4.Corona-Welle wieder geschlossen werden. Komplizierter wird es, wenn Unternehmensbereiche wie etwa Gaststätten oder der Einzelhandel zwar nicht unmittelbar selbst von Schließungsanordnungen rechtlich betroffen sind, allerdings mittelbar einen „faktischen Lockdown“ erfahren, weil das Publikum durch Anordnung von Kontaktbeschränkungen, Testanforderungen und 2 G (Plus)-Nachweise ausbleibt, gravierende Umsatzeinbrüche die zwangsläufige Folge ist.

Für diese Fallgruppe „mittelbarer Betroffenheit“ der Wirtschaft wird sich die Politik im Rahmen der für den 2.12.2021 angekündigten MPK-Beschlüssen eine Lösung einfallen lassen müssen, wie in diesen Fällen Umsatzeinbrüche durch Corona-Finanzhilfen kompensiert werden können.

Die zentrale Botschaft der BVerfG-Entscheidungen ist aber, dass der Staat in einer „äußersten Gefahrenlage“ auch zum letzten Mittel massiver Grundrechtseingriffe greifen darf. Die Grundrechte schließen also in der „Stunde der Not“ Beschränkungen nicht aus. Hierbei hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative: Er muss genau prüfen und begründen, welche Maßnahmen im Angesicht der konkreten (veränderten) Gefahrenlage noch zulässig sind und welche nicht.

In der aktuellen Pandemiewelle bedeutet das, dass die MPK am 2.12.2021 und nachfolgend der Gesetzgeber die Bundesnotbremse vom Frühjahr 2021 nicht als „Blaupause“ ungeprüft wieder aktivieren darf, sondern veränderte Umstände wie beispielsweise neue Virusvarianten oder die Belastung en des Gesundheitssystems einerseits und die Impfrate andererseits abwägen muss.

Keine leichte Aufgabe!

Quellen

Bundesverfassungsgericht – Presse – Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite („Bundesnotbremse“) erfolglos


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