Verkürzung des AfA-Zeitraums bei Gebäuden: BMF-Schreiben schon wieder veraltet?

In meinem erst kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag „Verkürzung des AfA-Zeitraums bei Gebäuden oder das Imperium schlägt zurück“ habe ich die Rechtsprechung des BFH, des FG Münster und das aktuelle Schreiben des BMF zu § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG vorgestellt,

Vereinfacht formuliert sagt die Rechtsprechung: Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.

Die Finanzverwaltung schränkt dagegen ein (BMF 22.2.2023, IV C 3 – S 2196/22/10006: 005):  Die Restnutzungsdauer und die Gesamtnutzungsdauer nach der ImmoWertV entsprechen nicht der tatsächlichen Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer eines einzelnen Gebäudes, sondern sind Modellansätze, die nur im Gesamtkontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen. Eine isolierte Verwendung der Modelle bzw. Modellansätze der ImmoWertV bzw. der Anlagen zur ImmoWertV für Zwecke des Nachweises einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG ist nicht sachgerecht.

Nun, diese Einschränkung ist nach einem aktuellen Urteil des FG Münster schon wieder obsolet. Mit zwei Urteilen vom 14.2.2023 (1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F) hat das FG nämlich entschieden, dass vom Steuerpflichtigen eingeholte Wertgutachten, in denen die Restnutzungsdauern von Mietobjekten nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) berechnet werden, sehr wohl der Ermittlung der AfA zugrunde gelegt werden können. Das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung nach der ImmoWertVO könne Anwendung finden, auch wenn dieses eine modellhafte Berechnung darstelle, die nicht primär auf die Ermittlung der tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG gerichtet sei.

Denkanstoß:

Es muss darauf hingewiesen werden, dass in den aktuellen Urteilsfällen Verkehrswertgutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeholt wurden. Man hat sich vor Gericht über die Art und Weise der Ermittlung der Restnutzungsdauern gestritten, nicht aber um die rein verfahrensrechtliche Frage, ob die Gutachten überhaupt dem Grunde nach „gerichtsfest“ sind. In der Urteilsbegründung heißt es daher wohl auch: „Der Senat folgt den fundierten Ausführungen der Gutachterin.“

Die Revision wurde nicht zuzulassen. Man darf gespannt sein, ob das Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde einlegt. Ansonsten darf das BMF sein o.g. Schreiben wohl alsbald ändern.

Weitere Informationen:

NWB Online-Nachricht: Restnutzungsdauer eines Mietobjekts kann nach der Immobilienwertverordnung berechnet werden (zu FG Münster, Urteile v. 14.2.2023 – 1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F)


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