Vermietung an Angehörige: Was ist eigentlich die Vergleichsmiete?

Wer eine Wohnung verbilligt vermietet, darf die entsprechenden Werbungskosten nur dann vollständig geltend machen, wenn die Miete mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete beträgt (§ 21 Abs. 2 EStG). Die ortsübliche Miete lässt sich grundsätzlich dem örtlichen Mietspiegel entnehmen. Was aber gilt, wenn es eine vergleichbare Wohnung im selben Haus gibt, die fremdvermietet ist und deren Miethöhe vom örtlichen Mietspiegel abweicht?

Jüngst hat das Thüringer FG entschieden, dass für den Vergleich mit der ortsüblichen Marktmiete auf die Miete abzustellen ist, die der Vermieter von einem fremden Vermieter verlangt, der im selben Haus eine vergleichbare Wohnung nutzt. Es besteht kein Vorrang des örtlichen Mietspiegels (Urteil vom 22.10.2019, 3 K 316/19).

Der Sachverhalt:

Eine Steuerzahlerin vermietete eine 57 qm große Eigentumswohnung mit Einbauküche im ersten Obergeschoss an ihre Tochter zu einem Mietpreis von monatlich 300 EUR zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 70 EUR. Sie vermietete eine ebenfalls 57 qm große, mit einer Einbauküche ausgestattete Wohnung im zweiten Obergeschoss desselben Gebäudes an einen Fremdmieter für einen Mietzins in Höhe von monatlich 500 EUR zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 78 EUR. Das Finanzamt berücksichtigte die Werbungskosten in Höhe von insgesamt 3.553 EUR nur mit einem Anteil von 64,01 Prozent, also in Höhe von insgesamt 2.276 EUR. Denn die zwischen der Mutter und ihrer Tochter vereinbarte Miete von 370 EUR für 57 qm betrage nur 64,01 Prozent und damit weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete von 578 EUR/Monat. Als Maßstab für die Ortsüblichkeit zog das Finanzamt die Miete für die vergleichbare, im selben Haus liegende, fremdvermietete Wohnung heran. Einspruch und Klage blieben erfolglos, obwohl die verbilligte Miete – laut Berechnung der Klägerin – weit über 80 Prozent der Marktmiete lag, wenn der örtliche Mietspiegel herangezogen worden wäre.

Die Begründung des FG:

Die maßgebende ortsübliche Miete kann grundsätzlich auf jedem Wege ermittelt werden. Der örtliche Mietspiegel kann zwar im Regelfall Grundlage und Anhaltspunkt für eine Schätzung sein. Insbesondere gehört ein Mietspiegel zu den Informationsquellen, die eine leichte und schnelle Ermittlung der ortsüblichen Miete ermöglichen. Eine strikte Bindung daran besteht indes nicht. Als Maßstab für eine sachgerechte Schätzung der Ortsüblichkeit der Marktmiete im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG können vielmehr auch Vergleichsmieten herangezogen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.10.2018, IX R 30/17). Also: Eine Schätzung unter Heranziehung der Vergleichsmiete für eine im selben Haus belegene fremdvermietete Wohnung gleicher Größe und gleicher Ausstattung (mit Einbauküche) ist sachgerechter als eine Schätzung mit Hilfe des Mietspiegels, die ggf. erst durch pauschale Zu- bzw. Abschläge an die konkreten örtlichen Gegebenheiten angepasst werden müsste.

Hinweis:

Gegen das Urteil des Thüringer FG liegt die Revision unter dem Az. X R 7/20 vor, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. In aktuellen Fällen sollte aber nicht auf ein positives Urteil des BFH vertraut, sondern die Miete lieber etwas höher angesetzt werden. Zugegebenermaßen wirkt das Urteil des Thüringer FG auf den ersten Blick schlüssig und liegt wohl auch auf der bisherigen Linie des BFH. Allerdings fragt man sich, wo denn eigentlich die Grenzen für die Heranziehung der Miete einer fremdvermieteten Wohnung liegen. Das heißt: Gilt die Rechtsprechung wirklich nur einengend für den Fall, dass sich eine Vergleichswohnung im selben Haus befindet? Wie wäre es bei einer Wohnung, die sich zwar in einem anderen Haus, aber (baugleich) in derselben Siedlung befindet? Muss ich gegebenenfalls meinen Nachbarn fragen, zum welchem Preis er seine Wohnung vermietet? Fragen über Fragen.

Weitere Informationen:

Thüringer FG, Urteil v. 3 K 316/19

BFH, Urteil v. IX R 30/17 BStBl 2019 II S. 200

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