Vertrauensschutz bei nachträglichen Anschaffungskosten – Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses

Steuerpflichtige, die ihrer GmbH als Gesellschafter bis zum 27.09.2017 eine (ehemals) eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe geleistet haben, können den Ausfall ihrer Rückzahlungs- oder Regressansprüche im Fall der Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen. Dies hat der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 02.07.2019 – IX R 13/18 bekräftigt.

Zum Hintergrund

Mit Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15 hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) geändert. Der Grund für die Änderung der Rechtsprechung bestand bereits seit 2008. Im Jahr 2008 erfolgte nämlich die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). In der zitierten Entscheidung hat der BFH angekündigt, die bisherigen Grundsätze in allen Fällen weiter anzuwenden, in denen der Sachverhalt am 27.09.2017 bereits verwirklicht war.

Im Streitfall ist das Finanzgericht dieser Rechtsprechung entgegengetreten.

Der Streitfall

Der Kläger war Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH. In einem Darlehensrahmenvertrag war seit 1999 vereinbart, dass Auslagen und sonstige Einlagen des Klägers bei der GmbH auf einem Darlehenskonto erfasst werden sollten. Das Darlehen sollte in der Krise der Gesellschaft stehen bleiben.

Seit 2009 liquidierte der Kläger die GmbH. Die letzte Bilanz weist nur noch das gezeichnete Kapital und die verbliebene Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger aus. Das FA bestritt den Bestand der Forderung und machte, soweit Unterlagen noch zur Verfügung standen, Mängel der Buchführung geltend.

Das FG hat die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt, der Kläger müsse den Endbestand des Darlehens über den gesamten Zeitraum seiner Entstehung lückenlos nachweisen. Das sei ihm nicht gelungen.

Das Urteil des BFH

Der BFH hat die Sichtweise der Vorinstanz zurückgewiesen. Nach dem Urteil des BFH hat der Gesetzgeber des MoMiG die Folgen der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts für das Steuerrecht weder bedacht noch geregelt. Demzufolge ergeben sich aus dem MoMiG auch keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben für die Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG. Ändert der BFH bei im Übrigen unverändertem Wortlaut der anzuwendenden Norm seine langjährige Rechtsprechung verschärfend, kann er typisierenden Vertrauensschutz gewähren.

Demgegenüber konnte das FG nach dem Urteil des BFH im Streitfall nicht nach der Feststellungslast (zu Lasten des Klägers) entscheiden. Denn der Bestand der (ausgefallenen) Gesellschafterforderung ergab sich indiziell dem Grunde und der Höhe nach aus dem festgestellten Jahresabschluss der GmbH. Mit der förmlichen Feststellung des Jahresabschlusses bestätigten die Gesellschafter zugleich die darin abgebildeten Rechtsverhältnisse untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft. Steuerrechtlich ergab sich daraus zumindest ein Indiz für das Bestehen der Gesellschafterforderung.

Im Streitfall reichte dem BFH dieses Indiz, um das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Welche Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis einer Gesellschafterforderung zu stellen sind, wenn der Jahresabschluss der GmbH nicht förmlich festgestellt ist (z. B. weil sich die Gesellschafter nicht einigen können), war im Streitfall nicht zu entscheiden.

Fazit

Bestreitet das Finanzamt (FA), dass eine in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesene Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bestand, spricht die Feststellung des Jahresabschlusses indiziell dafür, dass dem Gesellschafter eine Forderung in der ausgewiesenen Höhe zustand.

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