Volljährige Kinder müssen im Kindergeldprozess aussagen

Kinder geschiedener Eltern sind oft zwischen den beiden Elternteilen hin- und hegerissen, wenn diese nach der Trennung – weiterhin – zerstritten sind. Zuweilen verlangen die Eltern von ihren Kindern, sie müssten sich für einen Elternteil „entscheiden“. Dass dies für die Kinder zumeist schwierig ist, dürfte außer Frage stehen. Diese Problematik betrifft zwar üblicherweise das Unterhalts-, Sorge- und Umgangsrecht.

Nun hat es ein entsprechender Fall aber in einer Kindergeldsache bis vor den BFH geschafft. Offenbar wollte sich ein – immerhin volljähriges – Kind aus den Streitigkeiten ums Kindergeld heraushalten. Doch das darf es nicht, wie der BFH jüngst entschieden hat: In dem von einem Elternteil geführten Kindergeldprozess hat ein volljähriges Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht und ist deshalb zur Aussage verpflichtet (BFH-Urteil vom 18.9.2019, III R 59/18).

Der Streitfall

Im Streitfall ging es darum, ob im Falle geschiedener Eltern der Vater oder die Mutter das Kindergeld für das gemeinsame Kind beanspruchen konnten. Der Vater hatte beantragt, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, weil das Kind nicht mehr bei der Mutter lebe und er den höheren Unterhaltsbeitrag leiste. Das FG wies die Klage des Vaters mit der Begründung ab, das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Es stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Das FG verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH entschied, dass das Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat, weil sich die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt. Nach § 68 Absatz 1 S. 2 EStG haben volljährige Kinder in Kindergeldsachen umfassende Mitwirkungspflichten. Daher gilt der Grundsatz, dass Angehörige zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ausnahmsweise nicht im Kindergeldprozess. Volljährige Kinder sind dementsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltselemente, insbesondere – wie im Streitfall – auf die Haushaltszuordnung, also auf die Tatsachen, nach denen sich bestimmt, ob ein Kind noch dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist.

Meine Meinung

Die Entscheidung ist, da es sich um ein volljähriges Kind handelt, wohl nachvollziehbar. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, denn das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige dient der Vermeidung einer Konfliktsituation innerhalb der Familie – worauf der BFH selbst unter Hinweis auf Zöller/Greger (ZPO, 33. Aufl., § 383 Rz. 1a) verweist. Aber wir kennen das ja aus anderen Bereichen: Das Steuerrecht, genauer gesagt das Erfordernis der Einnahmeerzielung des Staates, ist ein so hohes Gut, dass es andere Rechte überlagert.

Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 18.09.2019 – III R 59/18

Ein Kommentar zu “Volljährige Kinder müssen im Kindergeldprozess aussagen

  1. Aus meiner Sicht ist die Entscheidung vollkommen richtig. Hier ging es ja auch nicht um staatliche Einnahmen, sondern die Frage, ob der Mutter oder dem Vater das Kindergeld ausgezahlt wird. Einer hätte es ohnehin bekommen.

    Das Zeugnisverweigerungsrecht ist hier völlig fehl am Platz. Beim Streit um die Kindergeldberechtigung wird die Familie meist ohnehin zerrüttet sein. Und hier haben wir auch noch das Problem, dass die Aussageverweigerung dem einen Elternteil genau in dem Maße nützt, wie es dem anderen schadet. Wenn das so ist, kann man auch der Wahrheitsfindung den Vorzug geben.

    Im Streitfall kam noch hinzu, dass der Junior schriftlich Stellung genommen hat und dann nicht aussagen wollte. Das ist natürlich richtig bitter, weil sich das Gericht auf die schriftlichen Ausführungen stützt und die Gegenseite den Zeugen nicht mal befragen darf. Insofern passt das Urteil für mich schon.

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