Vollständige Anschrift (Teil 2): Erreichbarkeit sollte doch wohl ausreichen, oder?

Der BFH hatte entschieden, dass eine vollständige Anschrift im Sinne der umsatzsteuerlichen Regelungen nur gegeben sein kann, wenn der Unternehmer unter dieser Anschrift auch seine unternehmerische Tätigkeit in Form der wirtschaftlichen Aktivität entfaltet. Alles andere soll dazu führen, dass die Rechnungsvoraussetzungen mangels Angabe der vollständigen Anschrift nicht erfüllt sind.  

Aber ist es wirklich Voraussetzung, dass man unter der genannten Anschrift wirtschaftlich tätig wird? Bisher war selbst der BFH in seiner früheren Rechtsprechung (Az: V R 48/04) der Meinung, dass die postalische Erreichbarkeit für die vollständige Anschrift ausreicht. So sieht es auch ganz aktuell das FG Köln (Az: 10 K 3803/13): Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren und soll es unter anderem auch der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche geschäftlichen Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.

Der BFH bekommt daher erneut Gelegenheit (Az: V R 25/15) darzulegen, welche Anforderungen an eine Rechnung nun zu stellen sind und kann die Unsicherheiten, die sich aus seiner früheren Entscheidung ergeben haben ausräumen.

Immerhin steht zudem im Raum, was den mit Eingangsrechnungen ist. Auch die vollständige Anschrift des Leistungsempfängers ist eine der formalen Rechnungsanforderungen, deren Fehlen unweigerlich zum Verlust der Vorsteuerabzugsberechtigung führt. Darf also auch automatisch der Briefkastenbetreiber keine Vorsteuer mehr ziehen? Folgt man der BFH-Meinung, wonach unter der vollständigen Anschrift auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens stattfinden muss, könnte dies sein.

Auf der anderen Seite ist es ein krasser Widerspruch zur bisherigen Verwaltungsmeinung in Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses. Dort steht: „Verfügt der Leistungsempfänger über ein Postfach oder über eine Großkundenadresse, ist es ausreichend, wenn diese Daten anstelle der Anschrift angegeben werden.“ Zudem sind ja auch Adressierungen mit „c/o“ an einen Dritten nach der Meinung der Finanzverwaltung ok, wenn sich die Identität des Leistungsempfängers leicht und eindeutig feststellen lässt.

Alles in allem hat bereits die Bundesteuerberaterkammer dem Bundesfinanzministerium die praktische Verunsicherung nach dem Urteil des BFH und dessen Widerspruch zur eigentlichen Verwaltungsmeinung aufgezeigt und bittet um Klarstellung. Es bleibt also entweder zu hoffen, dass das restriktive Urteil mit einem Nichtanwendungserlas belegt wird oder aber die Richter in der weiterhin anstehenden Entscheidung unter dem Aktenzeichen V R 25/15 (Revision zum Kölner Verfahren) eine praxistauglichere Lösung finden. Immerhin ist es nicht erklärlich warum unbedingt unter einer Adresse eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet werden muss, wenn doch ansonsten der Unternehmer leicht und eindeutig identifiziert und auch erreicht werden. Lediglich wenn eine Erreichbarkeit nicht gewährleistet ist, machen Konsequenzen im Vorsteuerabzug Sinn.

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