Vollverzinsung verhindern!

Aktuell sind zahlreiche Verfahren vor den Gerichten anhängig, bei denen es um die Frage geht, ob ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat (also 6 % pro Jahr) verfassungsgemäß sein kann. Insbesondere im Hinblick auf das aktuelle Niedrigzinsumfeld. Unabhängig vom Ausgang dieser Verfahren ist gegebenenfalls jedoch im Einzelfall auch eine andere Vorgehensweise sinnvoll, um Nachzahlungszinsen zu umgehen. 

In der Praxis könnte man teure Nachzahlungszinsen auch durch eine freiwillige Zahlung vor der Steuerfestsetzung verhindern. So sind Zinsen nach § 233a AO zwar grundsätzlich auch dann festzusetzen, wenn vor Festsetzung der Steuer freiwillige Leistungen erbracht werden. Schon der Anwendungserlass zur AO führt jedoch aus, dass Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind, soweit der Steuerpflichtige auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuerforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten hat. Nachzahlungszinsen sind daher nur für den Zeitraum bis zum Eingang der freiwilligen Leistung zu erheben.

Da die Nachzahlungszinsen zudem nur für volle Monate berechnet werden, muss eine freiwillige Zahlung nicht mal vor Beginn des Zinslaufes (in der Regel 15 Monate nach Steuerentstehung) entrichtet werden. Ausreichend ist insoweit ein Zahlungseingang innerhalb des ersten Monats nach Beginn des Zinslaufes.

In Anlehnung an die zivilrechtliche Fristberechnung ging das Finanzamt bisher davon aus, dass sich der fiktive Zinslauf bei Zahlung am letzten Tag eines Monats auf den Folgetag verschiebt. Sofern daher ein Steuerpflichtiger zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen eine freiwillige Zahlung vor Festsetzung der Einkommensteuer im 16. Monat nach Steuerentstehung am 30. April eines Jahres entrichtete, errechnete das Finanzamt für den Monat April Nachzahlungszinsen. Mit Urteil vom 31.5.2017 (Az: I R 92/15) verwirft der BFH allerdings diese Auffassung. Insoweit kann auch noch eine freiwillige Zahlung am 30. April im 16. Monat nach der Steuerentstehung die Vollverzinsung komplett verhindern.

Weitere Informationen:

BFH v. 31.05.2017 – I R 92/15

3 Gedanken zu “Vollverzinsung verhindern!

  1. Das BFH-Urteil verstehe ich anders, vgl. das Beispiel unter https://www.steuern-recht-wirtschaft.de/2018/01/08/nachzahlungszinsen-taggenau-berechnen/ — Bescheid vom 25. April 2018, freiwillige Zahlung schon 23 Tage vorher, ergibt trotzdem Vollverzinsung zulasten des Steuerpflichtigen für den ganzen Monat April.

    Die Zinsen werden nur für volle Monate erlassen. Dagegen hat der BFH grundsätzlich keine Einwände. Seine Aussage ist sinngemäß: ein voller Monat reicht vom Monatsersten bis zum Monatsletzten, nicht vom Monatsersten bis zum nächsten Monatsersten.

    • Sehr geehrter Kollege, das Beispiel deckt sich leider nicht mit dem Sachverhalt des hier gegenständlichen BFH-Urteils. Tatsächlich geht es dabei darum, dass wenn ein Steuerpflichtiger am 30.04. zahlt die Finanzverwaltung entsprechend des Beispiels 14 zum AEAO zu § 233a den Beginn des fiktiven Zinslaufes auf den 01.05. setzt. Nach dieser Auffassung würden für den April Zinsen anfallen. Exakt diese Auffassung hat der BFH jedoch verworfen, da der Tag des Beginns des fiktiven Zinslaufes immer der Tag der Zahlung ist. Dementsprechend müssen die Zinsen auch für den April erlassen werden, weil kein voller Monat ohne Zahlungseingang gegeben ist. Es ist eine Zahlung im April erfolgt. Von diesen Grundsätzen ausgehend, halte ich die ihrem Beispiel gezogene Folgerung für nicht schlüssig.

    • Sehr geehrter Herr Dr. Kleinmanns,
      sehr geehrter Herr Iser,
      ich sehe es genauso wie Sie, Herr Dr.Kleinmanns. Die fiktiven Erstattungszinsen werden nur für volle Monate erlassen, solche Fälle hatte ich schon mehrfach in der Praxis und das deckt sich auch mit dem AEAO. An diesem Grundsatz rüttelt der BFH nicht. Deshalb lautet bei uns der Rat an den Mandanten immer, bei freiwilligen Zahlungen zur völligen Zinsvermeidung vor dem 1.4. des Zweitfolgejahres wirksam an das Finanzamt zu bezahlen, denn schon eine Zahlung z.B. 2.4. löst eben Zinsen aus.
      Mit freundlichen Grüßen
      Oliver Brandl, StB

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 7 = 2