Vorübergehende Überlassung nur bei Ferienwohnungen?

Eine Anmerkung zum Urteil des LG Berlin v. 18.12.2019 – 65 S 101/19.

Gerade in Berlin sind Kurzzeitvermieter „von Senats wegen“ unbeliebt. Weiteres Ungemach könnte jetzt durch ein Urteil des LG Berlin drohen.

Kommt ein Londoner nach Berlin…

…weil er seine Promotion schreiben will. Er mietet hierfür eine Wohnung für sieben Monate und zahlt die gesamte Miete voraus. Der Lärm einer Großbaustelle in unmittelbarer Nähe macht ihm das wissenschaftliche Arbeiten aber unmöglich. Er kündigt fristlos und fristgemäß und gibt die Wohnung nach zwei Monaten zurück. Er verlangt die Erstattung der fünf weiteren im Voraus gezahlten Mieten.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Gericht entschied, dass der Mieter zwar nicht fristlos, aber fristgemäß kündigen konnte und sprach die Erstattung von zwei Mieten zu. Das Landgericht begründet seine Entscheidung mit einer mir nicht nachvollziehbaren Einschränkung des gem. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Für Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist, schränkt § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB einige Mieterschutzvorschriften ein. Insbesondere gilt § 573 BGB nicht, wonach der Vermieter nur kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Das Landgericht meint im Ergebnis, eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch gem. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nur bei Hotelzimmern und Ferienwohnungen vor, die (vorübergehend) zu Urlaubszwecken gemietet werden. Es beruft sich auf verschiedene Literaturquellen und die Gesetzesmaterialien. Als Ausnahmetatbestand sei § 549 Abs. 2 Nr. 1 restriktiv anzuwenden (LG Berlin Urt. v. 18.12.2019 – 65 S 101/19)

Einschätzung:

Ich halte die Entscheidung für falsch. Der Verwendungszweck bei § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht auf Erholungszwecke beschränkt. Die vom Gericht angenommene Einschränkung findet weder eine Stütze in der Gesetzesbegründung noch in der Rechtsprechung oder in der Literatur.

Maßgeblich ist allein der zwischen den Parteien vereinbarten Verwendungszweck. Für die Anwendung des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt es auf die Kriterien „vorübergehend“ und „Nicht-Wohnen“, (im Sinne eines Sich-Häuslich-Einrichtens“) an. Das ist aber auch bei anderen Zwecken als Urlaub oder Erholung der Fall.

Die Ansicht des Gerichts würde § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB weitestgehend leerlaufen lassen, und jegliche kurzzeitige Anmietung einer Wohnung – auch für Mieter – für andere Zwecke als Ferienwohnungen unmöglich machen. Denn die Befristung nach § 575 BGB setzt den Befristungswunsch des Vermieters voraus. Ein Mieter würde daher einen Mietvertrag von weniger als drei Monaten faktisch gar nicht schließen können. Er würde zwar immer einen unbefristeten Mietvertrag abschließen können, und könnte ihn auch wieder sofort kündigen – aber nur mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Wenn er nur zwei Monate bleiben will, muss er drei zahlen. So gesehen, wäre das sogar gut für die Vermieter. Dem ist aber natürlich nicht so: Denn der Vermieter ist auf unbestimmte Zeit gebunden und kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Für § 549 BGB Abs. 2 Nr. 1 BGB bliebe praktisch kein Anwendungsbereich mehr.

Entgegen den Ausführungen in der Entscheidung war das auch nicht die Absicht des Gesetzgebers. Richtig ist, dass § 549 BGB aus den Vorgängerregeln in 2001 unverändert übernommen wurde. Aber: Auch für den alten § 564b Abs. 7 Nr. 1 BGB bzw. 10 Abs. 3 MHG galt eine solche Einschränkung nicht:

Rechtsprechung:

Ob Wohnraum zu vorübergehendem Gebrauch vermietet worden ist, ergibt sich … aus der Verknüpfung einer vereinbarungsgemäß kurzfristigen, überschaubaren Vertragsdauer mit einem Vertragszweck, der sachlich die Kurzfristigkeit der Gebrauchsüberlassung begründet und so das Mietverhältnis in Übereinstimmung mit seiner kurzen Dauer nur als ein Durchgangsstadium erscheinen lässt (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 07.11.1980 –1 UH 1/80 (a))“.

Literatur vor 2001

„Der Ausschluss des Schutzes des Mieters bei zu vorübergehendem Gebrauch vermieteten Wohnraum geht auf § 25 MSchG zurück, so dass die damals heraus gebildete Rechtsprechung anzuziehen ist. Der Verwendungszweck muss seiner Natur nach von nur kurzer Dauer sein. Es muss also ein nur momentanes zeitweiliges Wohnbedürfnis des Mieters, dessen baldiges Ende von vornherein ersichtlich ist, befriedigt werden. Beispielsweise ist ein vorübergehender Gebrauch zu bejahen für die Dauer

  • eines Geschäftsaufenthaltes,
  • einer Ferienreise,
  • bis zur Fertigstellung eines im Bau befindlichen Hauses,
  • eines Examens,
  • einer Messe/Ausstellung/einer Tagung.“
    (Barthelmes WKSchg, MHG 5. Auflage 1995 § 564b Rz28ff, § 10 MHG Rz 90)

 „Er muss von vorneherein bei Abschluss des Mietvertrages Für eine kürzere, absehbare Zeit vermietet sei, zum Beispiel während einer längeren Reise des Vermieters; bis zur Fertigstellung eines Neubaus. … Auch für Saisonarbeiter; nicht für Gastarbeiter, wenn sie für unbestimmte nicht von vornherein begrenzte kürzere Zeit ein Arbeitsverhältnis aufnehmen. Der Zeitraum ist auf den Einzelfall abzustellen und kann auch ein Jahr übersteigen.“
(Palandt/Putzo § 564 b BGB 56. Auflage 1997)

Aktuelle Literatur

Auch die vom Gericht genannten Literaturstellen gehen gerade nicht von einer solche Einschränkung des Nutzungszweckes aus, wie ein paar Beispiele zeigen.

„Entscheidend ist nicht so sehr die Dauer, sondern der besondere, vom Mieter verfolgte und für beide Seiten erkennbar vorübergehende Zweck des Gebrauchs.“ (MüKoBGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, BGB § 549 Rn. 13).

„Vorübergehender Gebrauch liegt nach allgM bei der Inanspruchnahme von Hotel- und Pensionszimmern sowie Ferienwohnungen vor …, ferner während zeitlich befristeter Berufstätigkeit (Montage, Messe, Ausstellung, Gastprofessur) oder bestimmter Veranstaltungen (Festspiele, Wettkämpfe).“
(MüKoBGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, BGB § 549 Rn. 14).

„Gleiches gilt für die Mietverhältnisse von Monteuren am Ort der Montage, für Mietverhältnisse für die Dauer einer Messe, einer Kur, einer Sportveranstaltung, etc. Hier ergibt sich die vorübergehende Dauer aus dem vorübergehenden Aufenthalt des Mieters am Ort der Unterkunft. Den hier genannten Fällen ist ein fehlendes „Sich-Einrichten des Mieters‟ gemeinsam; deshalb handelt es sich hierbei um ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung des vorübergehenden Gebrauchs.“
(Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 549 Rn. 5).

„Der Vertragszweck ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und liegt nach allgM bei der Überlassung von Hotelzimmern, Pensionszimmern und Ferienwohnungen (vgl. OLG Hamburg MDR 1993, 43) (zB Montagearbeiten; Geschäftsaufenthalt; Überbrückung des Wohnbedarfs bis zur Fertigstellung des Hauses/der Wohnung; Vermietung von Privatunterkünften an Durchreisende, Feriengäste, Besucher).“ (BeckOK BGB/Wiederhold, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 549 Rn. 13)

Fazit:

Es wird hoffentlich eine Einzelfallentscheidung bleiben.

Weitere Informationen:

LG Berlin v. 18.12.2019 – 65 S 101/19
(www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de)

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