Wann muss eine „vollständige Anschrift“ in der Rechnung vorliegen?

Mitte 2018 hatte der BFH im Nachgang zur EuGH-Rechtsprechung geurteilt, dass eine Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen soll, auch eine reine „Briefkastenadresse“ des leistenden Unternehmers enthalten kann. Er muss unter dieser Adresse nicht seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfalten. Nun hat der BFH weiter entschieden, dass für die Prüfung des Rechnungsmerkmals „vollständige Anschrift“ der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 5.12.2018 – XI R 22/14).

Der Fall: Der Kläger betrieb u.a. eine Gebäudereinigung. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 erklärte er Vorsteuerbeträge in Höhe von rund 39.000 Euro. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte das Finanzamt u.a. zu dem Ergebnis, dass Vorsteuern hinsichtlich der Rechnungen zweier Unternehmen wegen falscher Rechnungsangaben bzw. fehlender Unternehmereigenschaft in Höhe von rund 12.000 Euro nicht abzugsfähig seien. Die fraglichen Rechnungen würden nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche zutreffende vollständige Anschrift der leistenden Unternehmer enthalten. Das FG hat die Haltung des Finanzamts bestätigt.

Der BFH hat der hiergegen gerichteten Revision stattgegeben, die Sache aber an das FG zurückverwiesen. Die Feststellungen des FG ließen keine abschließende Beurteilung zu der Frage zu, ob die Rechnungsaussteller unter der von ihnen in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift postalisch erreichbar gewesen waren.

Maßgeblich für die Frage der postalischen Erreichbarkeit ist der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung. Die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, muss es den Steuerverwaltungen ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und gegebenenfalls das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren. Die Angaben sollen es ermöglichen, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen. Diese Kontrollmöglichkeit besteht für das Finanzamt erst mit der Erstellung der Rechnung sowie deren Kenntnisnahme und nicht im Zeitpunkt der Leistungserbringung.

Das FG müsse nun ermitteln, ob die fraglichen Rechnungsaussteller unter den angegebenen Adressen erreichbar waren. Lasse sich eine Erreichbarkeit zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht ermitteln, treffe die Feststellungslast den Leistungsempfänger. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, habe die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen.

Gegenstand der Feststellungen müsse im Übrigen auch die Frage sein, ob dem Finanzamt darin zu folgen ist, dass nach den Gesamtumständen von Abdeckrechnungen zur Verschleierung von illegaler Beschäftigung auszugehen sei. Das FG habe daher gegebenenfalls auch insoweit weitere Ermittlungen vorzunehmen.

Hinweis: Die Entscheidung verdeutlicht, dass die vorteilhafte BFH- und EuGH-Rechtsprechung zum Rechnungsempfänger und zur Rechnungsanschrift noch nicht an ihrem Ende angelangt ist. Es bleibt also spannend.

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