Was eine Gemeindestraße und eine PV-Anlage gemeinsam haben

Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen neuen Betrieb eröffnen, doch bislang fehlt eine Zufahrtstraße zum Betriebsgrundstück. Sie errichten diese Zufahrtstraße in Abstimmung mit der Gemeinde auf eigene Kosten, allerdings liegt die neue Straße auf öffentlichem Gelände und kann bzw. darf daher von jedermann genutzt werden. Eigentlich gehen Sie davon aus, dass Sie die Vorsteuer aus den Aufwendungen für die Errichtung/Erschließung der Straße abziehen dürfen, denn es kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass die Kosten unternehmerisch veranlasst sind. Ohne die Straße könnten erst gar keine Umsätze erzielt werden. So weit, so klar, oder?

Leider war die Sache lange Jahre ganz und gar nicht klar. Erst der EuGH hat dem Spuk (der Finanzverwaltung) ein Ende bereitet und den Vorsteuerabzug ermöglicht (EuGH-Urteil vom 16.9.2020, Rs. C-528/19). Anders als die Finanzverwaltung stellt der EuGH auf den wirtschaftlichen Gehalt der Eingangsleistungen ab, nämlich deren Bezug zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze. Dass mit der Überlassung der Straße an die Allgemeinheit quasi eine unentgeltliche Wertabgabe bzw. eine unentgeltliche Zuwendung an die Gemeinde einhergeht, tritt hinter dem Ziel, umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu erzielen, zurück.

Nun gab es einen BFH-Fall, dessen Sachverhalt von dem obigen zwar abweicht, bei dem es im Wesentlichen aber um die gleiche Fragestellung geht: Der Kläger installierte im Jahr 2009 eine PV-Anlage auf dem Dach seines privat genutzten Hauses. Er lieferte den von der PV-Anlage erzeugten Strom umsatzsteuerpflichtig an den zuständigen Netzbetreiber, ordnete die PV-Anlage rechtzeitig vollständig einem Unternehmen zu und nahm den vollen Vorsteuerabzug für die PV-Anlage in Anspruch. Im Jahr 2019 (Streitjahr) wurde festgestellt, dass aufgrund der unsachgemäßen Montage der PV-Anlage im Jahr 2009 das Dach beschädigt worden ist. Der Kläger ließ den Schaden von rund 26.500 Euro auf eigene Kosten reparieren. Er begehrte insoweit den vollen Vorsteuerabzug, weil der Schaden nur durch die unternehmerische Nutzung des Dachs durch die PV-Anlage entstanden sei.

Das Finanzamt versagte den begehrten Vorsteuerabzug bis auf einen Kleinbetrag, denn es stellte – wie oben – nicht den wirtschaftlichen Gehalt der Reparatur in den Vordergrund, sondern bezog sich darauf, dass das Dach den privaten Wohnraum bedecke. Mithin sei die Eingangsleistung der Dachreparatur für den privaten Bereich bezogen worden. Glücklicherweise wurde auch diesem Spuk ein Ende bereitet: Der BFH hat der Revision stattgegeben und den Vorsteuerabzug für die Reparaturkosten zugelassen (BFH-Urteil vom 07.12.2022, XI R 16/21).

Maßgebend für den Vorsteuerabzug sei nicht nur die Verwendung der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen, sondern auch der „ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes“. Reparaturkosten für eine unternehmerisch genutzte PV-Anlage seien Teil der Kostenelemente der Ausgangsumsätze der PV-Anlage, wenn der Schaden durch eine unsachgemäße Montage der PV-Anlage entstanden und die Reparatur nur in dem hierfür erforderlichen Umfang erfolgt. Dies genüge für eine Bejahung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe des ausschließlichen Entstehungsgrundes.

Denkanstoß

Es ist gut, dass sich EuGH und BFH auf den Kern des Umsatzsteuerrechts besinnen: Es werden nämlich „Umsätze“ besteuert und um solche zu erzielen, bedarf es zunächst der einen oder anderen Eingangsleistung. Erst wenn investiert wird, können später Umsätze erzielt werden. Salopp gesagt: „Von nix kommt nix“. Übrigens, nur am Rande: Würde man den Urteilsfall ins Jahr 2023 verlagern, hätte die Reparatur des Daches nicht dem Nullsteuersatz unterlegen. Etwas anders würde aber wohl gelten, wenn es sich um „photovoltaikanlagenspezifische“ Arbeiten handeln würde (siehe dazu den neuen Abschnitt 12.18 Abs. 8 UStAE).


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