Welche Gefahr birgt eine fehlende Verfahrensdokumentation für die Berater?

Ich habe an dieser Stelle schon zwei- oder dreimal darüber gebloggt, dass ich es für mehr als sinnvoll halte, wenn die Mandanten eine Verfahrensdokumentation erstellen. Gerade auch aus Haftungsgründen, das heißt zur Vermeidung einer Haftung des steuerlichen Beraters, sollten die Mandanten sanft, aber dennoch energisch auf das Erfordernis hingewiesen werden. In meinen GoBD-Seminaren kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob eine Verfahrensdokumentation denn nun wirklich zwingend erstellt muss. Und man ist zuweilen auch der Auffassung, dass ich mit meinen Hinweisen auf die Haftungsgefahren übertreibe.

Nun, ich bin kein Jurist und auch kein Strafrechtler. Meine Hinweise beruhen vielmehr darauf, dass ich von Seiten der Finanzverwaltung vernehme, dass in begründeten Fällen die Berater in Haftung genommen werden sollen. Es mag gelingen, die Haftungsansprüche abzuwehren. Aber unter uns Kollegen: Die Monate, bis Sie Haftungsansprüche von – sagen wir einmal 100.000 Euro – abgewehrt haben, dürften Ihnen schlaflose Nächte bereiten. Die nachstehenden Fälle sollen kurz erläutern, wann ich ein Problem sehe bzw. wie sie in der Praxis von mir beobachtet werden.

Fall 1:
Verfahrensdokumentation nicht erstellt; sie wird aber auch nicht angefordert. Folge: Alles gut.

Fall 2:
Verfahrensdokumentation nicht erstellt; sie wird zwar angefordert, aber es gibt – außer dem Fehlen der Verfahrensdokumentation – keinerlei Prüfungsfeststellungen. Folge: Fast alles gut. Solange keine Registrierkasse im Einsatz ist, dürfte das Schätzungsermessen wegen des Fehlens der Verfahrensdokumentation gen Null tendieren.

Fall 3:
Wie Fall 2, es geht aber um einen Fall mit hohen Bargeldeinnahmen und dem Einsatz von ein oder zwei Registrierkassen. Hier könnte es zu einer Hinzuschätzung von vielleicht 2,5 Prozent des Umsatzes kommen. Der Betriebsinhaber wird es verkraften. Folge: Grundsätzlich keine Haftungsgefahr für den Berater.

Fall 4:
Verfahrensdokumentation nicht erstellt; es geht aber um einen Fall mit hohen Bargeldeinnahmen und dem Einsatz von ein oder zwei Registrierkassen. Und: Es kommt zu Prüfungsfeststellungen, das heißt es gibt ungeklärte Geschäftsvorfälle, die zu einer Hinzuschätzung von (bis zu) 7,5 Prozent des Umsatzes führen. Ein Strafverfahren wird eingeleitet. Folge: Der Betriebsinhaber wird die Höhe der Nachzahlung und des zu erwartenden Bußgeldes vielleicht noch so eben verkraften; es bringt ihn aber an den Rande des Ruins. Folge: Grundsätzlich keine Haftungsgefahr für den Berater.

Fall 5:
Wie Fall 4, der Betriebsinhaber meldet Insolvenz an oder ist „über alle Berge“. Der Berater kann aber glaubhaft machen, dass er vollkommen korrekt gehandelt (gebucht) und alle Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Grundsätzlich nur geringe Haftungsgefahr für den Berater.

Fall 6:
Wie Fall 5, es gibt nicht nur „ungeklärte Geschäftsvorfälle“, die zur Hinzuschätzung berechtigen. Vielmehr kann nachgewiesen werden, dass der Betriebsinhaber die Kasse manipuliert hat oder dass aktiv in die Schnittstelle zwischen Warenwirtschafts- und Kassensystem eingegriffen worden ist, um Umsätze verschwinden zu lassen. Dennoch hat der Berater im Vertrauen auf die Korrektheit die von seinem Mandanten gemeldeten Umsätze gebucht und die Umsatzsteuer-Voranmeldungen erstellt. Auch hier ist der Betriebsinhaber nicht mehr greifbar. Folge: Hohe Haftungsgefahr für den Berater, denn ihm könnte eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen werden. Das Fehlen der Verfahrensdokumentation steht dem Fehlen von Tagesendsummenbons gleich. Und wer ohne Vorliegen der Z-Bons bucht, kann nur geschätzte Umsätze gebucht haben.

Fazit:
Ist der Betriebsinhaber ehrlich, wird dem Berater das Fehlen der Verfahrensdokumentation nur in wenigen Fällen auf die Füße fallen können. Begeht der Mandant aber eine Steuerhinterziehung, ist die Haftungsgefahr hoch.

 

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