Wenn der Arbeitgeber das Handy des Arbeitnehmers ankauft

Nach § 3 Nr. 45 EStG sind die Vorteile eines Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Telekommunikationsgeräten steuerfrei. In LStH H 3.45 findet sich dazu aber das folgende Beispiel, das offenbar als Abschreckung gelten soll:

Der Arbeitgeber „kauft“ vom Arbeitnehmer ein Mobiltelefon zu einem nicht marktüblichen Preis von zum Beispiel 1 Euro und stellt es anschließend dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung zur Verfügung. Die Verbindungsentgelte des Arbeitnehmers werden nach dem „Kauf“ vom Arbeitgeber übernommen. Eine Steuerbefreiung der Verbindungsentgelte nach § 3 Nr. 45 EStG kommt nicht in Betracht, da der Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht standhält und es sich somit bei der Zurverfügungstellung des Mobiltelefons nicht um ein betriebliches Telekommunikationsgerät des Arbeitgebers handelt.

Interessanterweise hat es genau dieses Modell bis vor den BFH geschafft und dort sein „O.K.“ erhalten. LStH H 3.45 ist also hinfällig. Die Steuergestaltung gilt als zulässig. Der geldwerte Vorteil aus der Überlassung der Handys und der Übernahme der Verbindungsentgelte ist nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei (BFH-Urteile vom 23.11.2022, VI R 49/20, VI R 50/20, VI R 51/20).

Der Sachverhalt soll hier nicht weiter dargestellt werden, da er fast mustergültig dem oben genannten Beispiel entspricht. Bedeutender ist die Begründung des BFH, denn die hat es in sich. Im Kern führt der BFH aus: Gestaltungen zwischen nahestehenden Personen müssen zwar einem Fremdvergleich standhalten. Zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern bestand bei Abschluss der Verträge aber ein natürlicher Interessengegensatz. Sie standen sich bei Abschluss der Kaufverträge als wirtschaftlich selbständige Marktteilnehmer gegenüber, bei denen regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sie ihre jeweiligen (wirtschaftlichen) Interessen beim Abschluss gegenseitiger Verträge wahren. Ein Näheverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern ist insoweit nicht anzunehmen, so dass die Kaufverträge zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern über die Mobiltelefone gar nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu überprüfen sind.

Und zu § 42 AO führt der BFH – sinngemäß – aus: Es trifft zwar zu, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 45 EStG nicht in Betracht gekommen wäre, wenn der Arbeitgeber lediglich die Telefongebühren ersetzt hätte, die Handys also nicht zuvor angekauft hätte. Doch es steht es den Steuerpflichtigen frei, einen gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen. Salopp gesagt: Kein Steuerpflichtiger ist verpflichtet, einen Sachverhalt so zu gestalten, dass er dem Fiskus gefällt.

Denkanstoß:

Ich gebe zu, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass der BFH die Gestaltung genehmigen wird. Und auch wenn ich den Klägern den Sieg vor dem BFH natürlich gönne, so leuchtet mir die Urteilsbegründung nicht ein – vor allem, wenn ich sie mit dem Urteil des BFH zu Kennzeichenhalterungen vergleiche.

Danach gilt: Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine Vergütung dafür, dass er einen Kennzeichenhalter mit dem Logo seines Arbeitgebers an seinem privaten Pkw anbringt, so handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kommt üblicherweise kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu. Die Idee der so genannten Bruttolohn-Optimierer, dass es sich bei der Vergütung nicht um Arbeitslohn, sondern um sonstige Einkünfte handelt, die bis 255,99 Euro pro Jahr steuerfrei bleiben, hat der BFH verworfen (BFH-Beschluss vom 21.6.2022, VI R 20/20).

Einmal stellt der BFH also auf den wirtschaftlichen Gehalt ab. Nur wenige Monate später ist es der gleiche Senat, dem der wirtschaftliche Gehalt einer Vereinbarung dann offenbar nicht mehr so wichtig ist. Das verstehe, wer wolle.


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