Wirtschaftliches Eigentum und Cum/Cum-Transaktionen

Kürzlich habe ich mich in einem Blog mit der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums bei Wertpapierleihgeschäften befasst. Hierzu hat das BMF ein Schreiben verfasst. Inhaltlich eng damit verbunden wurde zeitgleich ein BMF-Schreiben zu sog. Cum/Cum-Transaktionen veröffentlicht. Derartige Konstrukte zielen auf die Vermeidung einer Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer (KapSt) vor allem bei Steuerausländern. Diese ergibt sich vielfach aus der Zuordnung eines begrenzten Quellensteuerrechts für Deutschland in Höhe von 15 % in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Zur Erreichung dieses Zieles kommen teils auch Wertpapierleihgeschäfte zum Einsatz. Darüber hinaus werden auch andere Konstruktionen eingesetzt, wie Kassageschäfte, Vereinbarung gegenläufiger Geschäfte oder Repo-Geschäfte. Unabhängig von der Art des Geschäftes ist regelmäßig die zentrale Frage, welchem Geschäftspartner das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren und damit die Anrechnungsberechtigung für die KapSt zuzurechnen ist.

In Anlehnung an das BMF-Schreiben zu Cum/Cum-Transaktionen lässt sich folgendes Ausgangsbeispiel für einen Steuerausländer darstellen, das die Definitivbelastung einer Dividende von 15 % zeigt. Der wohl verfassungswidrige Solidaritätszuschlag wird im Folgenden vernachlässigt.

Bruttodividende aus dem Wertpapier (Aktie) 100
./. KapSt (25 %)   25
+ Erstattung gem. DBA-Regelung   10
Nettoertrag   85

Um die Definitivbelastung abzumildern, versucht der Steuerausländer das Wertpapier temporär auf einen zur Anrechnung der KapSt berechtigten Steuerinländer zu verlagern. Den Vorteil aus der Anrechnung der KapSt teilen sich die Geschäftspartner dann auf, d.h. der Steuerinländer erhält in irgendeiner Form ein Entgelt für seine temporäre Übernahme der Wertpapiere. Das Entgelt kann bspw. in Form eines prozentualen Anteils an der Dividende, einer Provisions- oder Gebührenzahlung durch den Steuerausländer oder von Zinserträgen bestehen.

Für die Beurteilung der Anrechnungsberechtigung des Steuerinländers ist neben dem ggf. einschlägigen Missbrauchstatbestand nach § 42 AO entscheidend, dass der Steuerinländer am relevanten Stichtag nicht nur zivilrechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere iSv. § 39 Abs. 1 Nr. 1 AO ist. Das wirtschaftliche Eigentum ist zudem für die Frage der persönlichen Zuordnung der Wertpapiere in der handelsrechtlichen Bilanzierung des Steuerinländers entscheidend (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Für die steuerliche Zurechnung bei der Gestaltung als Wertpapierleihgeschäft hat das BMF ausführlich in einem eigenen Schreiben Stellung genommen. Dazu hatte ich bereits in einem früheren Blog Stellung genommen. Das Schreiben zu Cum/Cum-Transaktionen zielt auf einen breiteren Bereich von Gestaltungsmöglichkeiten. Das BMF stellt auch wieder auf die tatsächliche Sachherrschaft gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ab. Dann wird aber kurzer Prozess gemacht: „Bei Cum/Cum-Gestaltungen erfolgt kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum an den Wertpapieren üblicherweise verbunden sind“ (Rn. 12).

Dies wird damit begründet, dass der anrechnungsberechtigte Steuerinländer keine Kursrisiken bis zur Rückübertragung trägt, etwa weil:

  • nur eine Wertpapierleihe vorliegt,
  • der Rückverkaufspreis an den Steuerausländer bereits feststeht oder
  • die Wertpapiere (Aktien) während der Haltedauer des Steuerinländers gegen Kursschwankungen gesichert seien.

Zudem erhält der Steuerinländer aus wirtschaftlicher Sicht im Wesentlichen nicht die Dividende während der regelmäßig kurzen Haltedauer.

Erfolgt die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Wertpapieren zum Dividendenstichtag nicht zum Steuerinländer, besteht für ihn auch keine Berechtigung zur Anrechnung oder Erstattung der KapSt.

Das BMF-Schreiben enthält eine größere Zahl von Beispielen zu den Rechtsfolgen. Etwa zur Leihe von Aktien ergibt sich in Anlehnung daran folgende Variante beim Steuerinländer (=Entleiher).

Ausgangslage

Nettodividende aus dem Wertpapier (Aktie) 75
+ Steuergutschrift KapSt 25
./. Kompensationszahlung an Steuerausländer (Verleiher) 90
./. Entgelt für die Wertpapierleihe an Verleiher   2
Gewinn   8

 

Der Steuerausländer erhält statt der 85 ohne die Gestaltungsmaßnahme:

Kompensationszahlung vom Steuerinländer (Entleiher) 90
+ Entgelt für die Wertpapierleihe an Verleiher   2
Gewinn 92

 

Rechtsfolge der fehlenden Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums zum Entleiher gem. BMF

Bisheriger Gewinn   8
+ Rückforderung KapSt 25
Verlust 17
+ außerbilanzielle Korrektur 17
steuerliches Ergebnis   0

 

Aus handelsbilanzieller Sicht wird man die Vorgehensweise einer Orientierung an den Chancen und Risiken bei der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums begrüßen. Vielleicht nimmt das IDW die Entwicklung zum Anlass über eine endgültige Verabschiedung von ERS HFA 13 nachzudenken. Jetzt dürfte keine Notwendigkeit mehr bestehen, wegen einer ohnehin fragwürdigen Rücksichtnahme auf steuerliche Gestaltungsmaßnahmen hier nicht zu einem endgültigen Standard zu kommen.

Wie bereits im Blog zur Wertpapierleihe ausgeführt sollte der Steuergesetzgeber die Änderung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erwägen. Wünschenswert wäre hier eine gesetzliche Neuorientierung, die direkt auf Chancen und Risiken abstellt und weniger auf eine formale Betrachtung der Ausschließungsmöglichkeit des zivilrechtlichen Eigentümers iSe. einer tatsächlichen Sachherrschaft. Damit dürften für künftige Fälle die Risiken sinken, vor dem BFH Schiffbruch mit der Verwaltungsauffassung zum wirtschaftlichen Eigentum zu erleiden. Zudem schafft das die Grundlage zur Reformierung der vielfach nicht sachgerechten Leasingbilanzierung.

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