Zehn-Tage-Regel des § 11 EStG – weg damit!

Auch wenn die Belastung in den Steuerkanzleien aufgrund der Corona-Situation nach wie vor hoch ist, so ist das „Geschäft“ mit der Erstellung der Steuererklärungen des Jahres 2020 „im vollen Gange“. Und ich vermute, dass viele tausend Steuerberater und Mitarbeiter wieder einmal ratlos vor der Frage stehen, wie sie die letzte Umsatzsteuer-Vorauszahlung des Jahres 2020 bei Einnahmen-Überschussrechnern verbuchen sollen. In 2020 oder in 2021? Denn da der 10. Januar 2021 auf einen Sontag gefallen ist, kommt § 11 Abs. 2 EStG zur Anwendung – oder eben nicht!

Ich habe schon lange den Überblick verloren, wie die einzelnen Fälle zu lösen sind und muss jedes Mal aufs Neue in die Literatur schauen, um keine Fehler zu begehen. Und zudem sind mittlerweile sogar zwei Verfahren vor dem BFH anhängig (VIII R 1/20, X R 2/21).

Eine Frage lautet: Sind die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Mai, Juni und Juli 2017, die am 9.1.2018 innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums bezahlt wurden, im Veranlagungsjahr 2017 bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung als Betriebsausgabe anzuerkennen, auch wenn die Fälligkeit nicht innerhalb kurzer Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, liegt?

Die Finanzverwaltung ihrerseits wetzt bereits die Messer und freut sich schon heute auf falsche Zuordnungen. Immerhin hat das Bayerische Landesamt für Steuern am 27.7.2021 einen Erlass veröffentlicht (S 2226.2.1-5/23 St32, NWB VAAAH-88841), mit es die Grundsätze noch einmal darlegt.

Schön finde ich allein schon die Hinweise zur klassischen Überweisung: „Der Abfluss erfolgt spätestens im Zeitpunkt der Lastschrift. Der Abfluss kann aber auch bereits mit Eingang des Überweisungsauftrags bei der Überweisungsbank erfolgen, da der Zahlende ab diesem Zeitpunkt keine Verfügungsmacht mehr über den Verlauf der Überweisung hat.“ Bereits hier beginnt das Chaos, denn es findet sich gleich das allseits beliebte Wort „aber“. Es folgen noch einmal ein „jedoch“ und zweimal ein „allerdings“.

Und wie steht es mit Einzugsermächtigungen? Hier heißt es: „Im Lastschriftverfahren liegt ein Abfluss i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 EStG bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und eine ausreichende Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu gewährleisten. Wann der Leistungserfolg eintritt, ist unerheblich. Der Abfluss ist daher regelmäßig mit Abgabe der Voranmeldung anzunehmen.“ Bei erteilter SEPA-Lastschrift erfolgt eine wirtschaftliche Zuordnung der Dezember-Zahllast, die am 11.1.2021 eingezogen wird, also noch zum Jahr 2020 – vorausgesetzt, die entsprechende Voranmeldung wurde bis zum 10.1.2021 eingereicht. Aber: „Im Erstattungsfall kommt es dennoch erst im Zeitpunkt der Gutschrift beim Steuerpflichtigen zu einem Zufluss, da er erst zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Geldbetrag verfügen kann.“ Das mag rechtlich korrekt und vielleicht sogar logisch sein – einfach ist das aber nicht.

Wenn mein WORD-Programm korrekt gezählt hat, werden in dem Erlass über 1.200 Wörter benötigt, um zwei ganze Sätze des § 11 EStG zu erläutern. Wer soll das noch verstehen?

Daher meine wiederholte Forderung: Die Zehn-Tages-Regel gehört komplett abgeschafft. Sie ist überflüssig. Zumindest sollte die Finanzverwaltung endlich aufhören, die korrekte Zuordnung der Umsatzsteuerzahlungen zu einem Schwerpunkt in Betriebsprüfungen zu erheben, um dadurch ein schnelles Mehrergebnis zu erreichen.


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