Tantieme: Steuerliche Angemessenheits-Regelungen sind dringend reformbedürftig

Ich hatte bereits vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass ich die steuerliche Prüfung der Angemessenheit von Gehältern der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer für dringend reformbedürftig halte (vgl. „Abzug gewerbesteuerlicher Verlustvorträge – falsches Verständnis der Unternehmensidentität“). Diese Kritik möchte ich heute erneuern. Die noch immer gültigen Grundsätze zur Angemessenheitsprüfung sind nun 22 Jahre alt (vgl. BFH 05.10.1994, I R 50/94), werden aber nach wie vor angewandt, so also zum einen die 50-Prozent-Grenze (Tantieme darf nicht mehr als 50 Prozent des Jahresüberschusses betragen) als auch zum anderen die 75:25-Prozent-Regelung (Verhältnis Festgehalt zur Tantieme), auch wenn letztere zuletzt aufgeweicht worden ist. Nach dem deutschen Verständnis dürften die Gesellschafter-Geschäftsführer von einigen der erfolgreichsten Digitalkonzerne der Welt keine Tantieme erhalten.

Der Grund: Sie steigern zwar den Wert ihres Unternehmens in zum Teil astronomische Höhen (WhatsApp wurde für 19 Mrd. US-Dollar an Facebook verkauft), erzielen aber über einen längeren Zeitraum keine Gewinne. Auch Jeff Bezos, der Gründer vom Amazon, hätte beim I. Senat des BFH lange Zeit keine Gnade gefunden. Oder Travis Kalanick, der Gründer von Uber. Interessant wäre auch der Fall „Kevin Systrom und Mike Krieger“ (die Gründer von Instagram) vor deutschen Finanzgerichten gewesen. Diese hatten nämlich gar kein Ertragsmodell, ihr Unternehmen wurde dann aber dennoch für 1 Mrd. US-Dollar verkauft. Sie hätten sich in den Jahren vor dem Verkauf keine Tantieme gönnen dürfen, denn ohne Gewinn keine Tantieme – so einfach ist das Wirtschaftsverständnis in deutschen Amtsstuben und Gerichten. Aber so simpel ist das Wirtschaftsleben nun einmal nicht. Die Welt hat sich radikal verändert und mit ihr auch die Vergütungssysteme. Es wird Zeit, dass die unsäglichen „Prozent-Regelungen“, die meines Erachtens übrigens schon im Jahre 1994 keinerlei Berechtigung hatten, endlich ins „Nirwana“ befördert werden. Vielmehr gehört in eine Gesamtbetrachtung zur finanziellen Ausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers die Steigerung des Unternehmenswerts hinein. Ich gebe zwar gerne zu, dass sich dadurch das Steuerrecht nicht unbedingt vereinfachen würde. Es steht aber weder den Gerichten noch der Finanzverwaltung zu, starre Grenzen für Angemessenheitsprüfungen festzulegen, die noch dazu an der wirtschaftlichen Realität vorbeigehen.

Weitere Informationen:

BFH v. 05.10.1994 – I R 50/94

 

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