Zum Einstieg in den zweiten Teil dieses Beitrags hier nochmal die Einleitung aus Teil 1:
„Vom unklaren Denken zur Besteuerung nach Gutdünken“. Unter dieser Schlagzeile hat Bareis schon im Jahr 2005 eine systemgerechte Gewinnermittlung angemahnt (und sich insbesondere gegen die von Wassermeyer entwickelte Forderung nach einer Zusatzrechnung außerhalb der Bilanz gewandt (Bareis, DB 2010, 2637 versus Wassermeyer, DB 2010, 1959).
Auslegung contra legem
Auch vom Wortsinn ist die seit 1989 geläufige Definition der vGA nicht gedeckt. Die vom reinen Wortlaut des Gesetzes geforderte „Ausschüttung“, ob sie nun in offener oder verdeckter Form geschieht, setzt voraus, dass bei der ausschüttenden Kapital-gesellschaft ein Vermögensabgang und beim empfangenden Gesellschafter ein Ver-mögenszugang erfolgt (siehe Forschungsgruppe Viadrina, BB 1996, 2436; 2437).
Dementsprechend bemängelt Weber-Grellet an der richterlichen Definition der vGA, sie sei insoweit zu eng, als sie auch Kapitalherabsetzungen erfasse, zu weit insofern, als es auch verdeckte Ausschüttungen gebe, die noch nicht zu einer Ausschüttung geführt hätten (Weber-Grellet, BB 2014, 2263). Wer freilich die Ergebnisverwendung mit der Ergebnisermittlung verwechselt, bewegt sich nicht auf dem Boden des Gesetzes (siehe Haase/Geils, DStR 2018, 445). Die Rechtsprechung zur vGA steht daher schon lange im Verdacht, sie setze sich selbstherrlich über das Gesetz hinweg (so bereits Senger, DStR 1997, 1830). Gegen seinen Wortlaut ist die Auslegung eines Gesetzes nur dann ausnahmsweise möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (siehe FG Köln v. 13.2.2014, 6 K 2745/10). Weiterlesen →