„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins…“

BFH-Urteil zur Zurechnung von Prostitutionsumsätzen

Anders als es die Überschrift vermuten lässt, ereignete sich der nachfolgende Sachverhalt nicht in Hamburg, sondern im katholischen Bayern.

Worum ging es?

Die Klägerin und Revisionsklägerin (GmbH) betrieb in den Jahren 2004 bis 2008 (Streitjahre) einen FKK-Club. In den Räumlichkeiten hatten die Gäste die Möglichkeit einer Kontaktanbahnung zu den dort anwesenden Prostituierten. Im Obergeschoss des FKK-Clubs konnten die Gäste mit den Prostituierten eines von insgesamt 15 Zimmern nutzen; eine feste Zimmerzuteilung gab es nicht. Für diese Leistungen erhob die GmbH sowohl von den Gästen als auch von den Prostituierten ein einheitliches Eintrittsgeld. Auf ihrer Internetseite führte die GmbH den Vornamen, das Alter, die Körpergröße und die Konfektionsgröße der jeweils anwesenden Prostituierten auf. Die Prostituierten rechneten ihre Leistungen unmittelbar gegenüber dem jeweiligen Gast in bar ab; die Möglichkeit einer Kartenzahlung bestand nicht.

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) die Umsatzsteuer für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO. Da die GmbH keine Aufzeichnungen über die Höhe der Prostitutionsumsätze geführt hatte, schätzte das FA deren Höhe und rechnete die Umsätze der Damen umsatzsteuerrechtlich der GmbH zu.

Streitig ist also die Zurechnung von Prostitutionsumsätzen in den Streitjahren 2004 bis 2008.

Das Urteil des FG München

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem Urteil vom 11.05.2016 –  3 K 3267/13 ab. Die von Prostituierten in einem FKK-Club erbrachten Dienstleistungen seien grundsätzlich dem Clubbetreiber, der für einen störungsfreien Betriebsablauf innerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten sorge, zuzurechnen. Das gelte insbesondere, wenn sich die Leistungen der Prostituierten aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Teil der Gesamtleistung des Betreibers darstellten, auch wenn es sich hierbei um höchstpersönliche Dienstleistungen der Prostituierten handele und diese selbst das Entgelt bar vereinnahmten.

Die Revision vor dem BFH

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts geltend macht (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Prostituierten hätten vorliegend im eigenen Namen und für eigene Rechnung gegenüber den Freiern gehandelt. Indem das FG die Leistungen der Prostituierten der GmbH als Bestandteil einer Gesamtleistung zurechne, wende es einen fehlerhaften Maßstab an, da vor der Beurteilung der Frage, ob eine Gesamtleistung vorliege, zunächst die Leistenden der zu beurteilenden Leistungen festgestellt werden müssten. Deshalb könne die Gesamtleistung schon aus systematischen Gründen kein Kriterium der Gesamtbetrachtung für die Bestimmung des Leistenden sein.

Das Urteil des BFH

Auch die Richter des BFH folgten dem Vortrag der Klägerin nicht und wiesen die Revision schließlich als unbegründet zurück. Die Würdigung des FG, nach der die Prostitutionsumsätze der GmbH gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zuzurechnen sind, ist aus Sicht des erkennenden Senats revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Wie der BFH in seinem Urteil vom 27.9.2018 – V R 9/17 zu diesem Fall ausführt, gelten für die Zurechnung von in einem Bordell oder FKK-Club erbrachten Prostitutionsumsätzen die allgemeinen Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Leistung dem unmittelbar Handelnden oder dem Unternehmer, in dessen Unternehmen er eingegliedert ist, zuzurechnen ist.

Auszug aus den Leitsätzen des Urteils:

„2. NV: Entscheidend ist, ob der Unternehmer nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und deren Unterbringung das Bordell betreibt.“

„3. NV: Dabei kann maßgebend sein, ob der Unternehmer z.B. in seiner Werbung als Inhaber eines Bordells oder eines bordellähnlichen Betriebs als Erbringer sämtlicher vom Kunden erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist.“

PS:
Es wäre übrigens falsch, die Reeperbahn mit ihren unzähligen Bars, Diskotheken und Nachtclubs alleine hierauf zu reduzieren.

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