Aufbewahrungsfrist für Rechnungen: Hat der Gesetzgeber § 22 UStG vergessen?

Der Unternehmer hat ein Doppel der Rechnung, die er selbst oder ein Dritter in seinem Namen und für seine Rechnung ausgestellt hat, sowie alle Rechnungen, die er erhalten oder die ein Leistungsempfänger oder in dessen Namen und für dessen Rechnung ein Dritter ausgestellt hat, acht Jahre aufzubewahren – so heißt es in   14b Abs. 1 Satz 1 UStG. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Rechnungen von zehn auf acht Jahre erfolgte mit dem „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“. Sie gilt regulär für alle Rechnungen, deren Aufbewahrungsfrist am 31. Dezember 2024 noch nicht abgelaufen ist. Mithin brauchen regelmäßig Rechnungen nicht mehr aufbewahrt zu werden, die vor dem 1. Januar 2017 ausgestellt worden sind. Bei Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierinstituten gelten allerdings Sonderregelungen.

So weit, so gut – wenn es nicht den § 22 UStG gäbe.

Das BMF-Schreiben vom 8.7.2025

Das BMF weist in seinem aktuellen Schreiben vom 8.7.2025 (III C 2 – S 7295/00005/003/080) auf Folgendes hin:

Die Aufbewahrungsfristen für umsatzsteuerliche Aufzeichnungen (z B. nach § 22 Abs. 1 UStG) wurden nicht verkürzt; sie sind weiterhin zehn Jahre aufzubewahren.

Was bedeutet das für die Praxis?

Nach § 22 UStG ist ein Unternehmer verpflichtet, „zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen.“ Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten Entgelte für die ausgeführten Leistungen ersichtlich sein. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.

Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 UStDV).

Soweit es zum Verständnis erforderlich ist, sind den Aufzeichnungen die entsprechenden Belege beizuordnen (Küffner, Zugmaier, NWB-Umsatzsteuer-Kommentar zu § 22 UStG, Rz. 18).

Man kann man sich – im Rahmen der Abwehrberatung –  vielleicht darüber streiten, welche Auswirkungen § 22 UStG für die Aufbewahrungsfrist für Rechnungen hat. Wenn man aber die Praxis der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, das jetzige BMF-Schreiben und die soeben überarbeiteten GoBD (BMF-Schreiben vom 14.7.2025, IV D 2 – S 0316/00128/005/088) zusammen betrachtet, würde ich jedenfalls derzeit nicht dazu raten, Rechnungen bereits nach acht Jahren zu vernichten.

Denkanstoß:

Letztlich kann man nur mutmaßen, ob der Gesetzgeber die Regelung in § 22 UStG einfach nur vergessen hat. Die Finanzverwaltung vergisst sie – im Rahmen von Außenprüfungen – aber garantiert nicht.

Um das Chaos komplett zu machen: Die Aussage des BMF in seinem genannten Schreiben könnte ohnehin im Widerspruch zu Abschnitt 22.1 Abs. 1 Satz 2 u. 3 UStAE stehen. Dort heißt es nämlich: „Die Aufzeichnungen sind grundsätzlich im Geltungsbereich des UStG zu führen ….. Sie sind mit den zugehörigen Belegen für die Dauer der Aufbewahrungsfrist (§ 147 Abs. 3 AO, § 14b UStG) geordnet aufzubewahren.“

Das heißt also, dass Abschnitt 22.1 UStAE – auch nach dem besagten BMF-Schreiben – auf § 14b UStG und die nunmehr achtjährige Aufbewahrungsfrist verweist, während das neue BMF-Schreiben selbst auf eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist verweist. Abschnitt 22.1 Abs. 1 UStAE ist nicht geändert worden! Offenbar hat selbst das BMF das Zusammenspiel von § 14b UStG, § 22 UStG, § 63 UStDV und Abschnitt 22.1 UStAE nicht ganz durchschaut.

Ohnehin ist eine weitere Besonderheit zu beachten: Die Aufbewahrungsfrist läuft nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dies betrifft auch Rechnungen, die für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Grundstücksfällen relevant sind. In derartigen Fällen endet die Aufbewahrungsfrist erst, wenn die Festsetzungsfrist für das letzte Jahr des Berichtigungszeitraums abgelaufen ist (§ 14b Abs. 1 Satz 3 UStG i.V.m.§ 147 Abs. 3 Satz 5 AO). Für zahlreiche umsatzsteuerlich relevante Vorgänge, insbesondere rund um Immobilien, gilt damit doch eine Aufbewahrungsfrist von (mindestens) zehn Jahren.

Und im Einzelfall, etwa wenn Umsatzsteuer-Festsetzungen aufgrund Einspruch oder Klage noch offen sind, verlängert sich die Aufbewahrungsfrist sogar über die zehn Jahre hinaus. So viel zum Thema „Bürokratieentlastung“

Wie ist Ihre Meinung zu dem Thema? Würden Sie Ihren Mandanten trotz § 22 UStG raten, Rechnungen nach acht Jahren zu vernichten?

 

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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