Aufreger des Monats März: Abgabe einer E-Bilanz auch für Kleinstunternehmer

Am 6. Juni 2020 hat der BFH entschieden, dass die digitale Abgabe der Einkommensteuererklärung wirtschaftlich unzumutbar ist, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen (BFH-Urteil vom 16.6.2020, VIII R 29/19).

Gerade einmal drei Monate später urteilt das Schleswig-Holsteinische FG: Auch wenn die Klägerin ausweislich ihrer Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresverlust erlitten und in den Vorjahren lediglich Gewinne im unteren vierstelligen Bereich erwirtschaftet worden sind, so liegt keine unbillige Härte vor, die eine Ausnahme von der verpflichtenden Abgabe einer elektronischen Bilanz rechtfertigen würde (Urteil vom 9.9.2020, 3 K 6/20).

Im Unterschied zu dem vom BFH entschiedenen Fall verfügte die Klägerin im Fall aus Norddeutschland allerdings über die Hardware, sodass es ihr nur an einer entsprechenden Software mangelte. Die Erstellung und Übermittlung der E-Bilanz war damit nicht in erster Linie mit hohen Kosten für die digitale „Aufrüstung“ verbunden, sondern vielmehr scheute die Klägerin wohl den zeitlichen Aufwand für die Einarbeitung, zumal es sich um insgesamt lediglich zwölf Zahlenwerte in der streitgegenständlichen Bilanz handelte. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass es Aufgabe der Finanzverwaltung sei, eine kostenlose und auch zumutbare Möglichkeit zur Übermittlung der Buchhaltungsdaten zur Verfügung zu stellen. Doch damit konnte sie beim FG nicht durchdringen.

Der eigentliche Grund, warum das Urteil in meinen Augen ein Aufreger des Monats ist: Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist zwar die Revision zuzulassen worden. Es seien mehrere Verfahren vor dem BFH anhängig (vgl. BFH VIII R 29/17; BFH VIII R 29/19), die die gleichen oder ähnliche Rechtsfragen betreffen. Nur: Das Verfahren VIII R 29/19 war – wie erwähnt – längst entschieden.

Ich werde niemals verstehen, warum ein Finanzgericht ein Urteil erlässt, ohne einmal kurz bei der Geschäftsstelle des betreffenden BFH-Senats anzurufen und zu fragen, ob ein Revisionsverfahren in einer ähnlichen Sache bereits entschieden ist. Was ist so schlimm daran, einen Zeitaufwand von 5 Minuten zu investieren? Stattdessen wird lieber ein Urteil erlasen, das die aktuellen Aspekte des BFH nicht berücksichtigt.

Ich gebe zu: Das FG-Urteil vom 9.9.2020 wäre auch in Kenntnis des BFH-Urteils möglicherweise nicht anders ausgefallen. Doch zumindest hätte man darlegen können, warum man die BFH-Rechtsprechung hier nicht für einschlägig hält.

Die Revision gegen das Urteil aus Schleswig-Holstein ist mittlerweile unter dem Az. XI R 29/20 anhängig.

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