Aufreger des Monats Mai: Ist-Versteuerer als Leidtragende des Jahressteuergesetzes 2024

Ein zeitliches Auseinanderfallen von Steuerentstehung und Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist unionsrechtlich eigentlich nicht möglich (Art. 167, 179 Satz 1 MwStSystRL). Das zeitliche Auseinanderfallen, das in Deutschland – noch – möglich ist, hat offenbar in einigen Fällen zu Gestaltungen geführt, die der BFH letztlich genehmigt (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.2023, XI R 5/21).

Beispiel:

Ein Ist-Versteuerer erteilt befreundeten Unternehmen in erheblichem Umfang Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer – natürlich für tatsächlich erbrachte Leistungen. Die Rechnungen werden von den Leistungsempfängern jedoch nur über Verrechnungskonten gebucht und über mehrere Jahre hinweg nicht bezahlt. Folge: Keine bzw. erst spätere Abführung der Steuer an den Fiskus seitens des Leistenden, aber frühzeitiger Anspruch auf den Vorsteuerabzug bei den Leistungsempfängern.

Nun ist es der deutschen Finanzverwaltung möglicherweise zu bunt geworden. Jedenfalls sollen Ist-Versteuerer ab 2026 verpflichtet werden, in ihren Ausgangsrechnungen den Hinweis „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ anzubringen – dies sieht der kürzlich bekanntgewordene (erste) Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vor. Gleichzeitig soll geregelt werden, dass der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs künftig mit dem Zeitpunkt der Versteuerung der Leistung beim Leistungserbringer korrespondiert – so wie es das EU-Recht vorsieht.

Denkanstoß

Gerade derzeit diskutieren wir in Deutschland über den Bürokratieabbau und seitens der Unternehmerverbände wird zunehmend kritisiert, dass das 4. Bürokratieabbaugesetz viel zu wenig Vereinfachungen bringt. Und ausgerechnet in dieser Situation bringt es der Gesetzgeber (voraussichtlich) fertig, für hunderttausende Unternehmer mehr Bürokratie auf den Weg zu bringen. Im Internet kursieren schon die ersten Empfehlungen, dass Unternehmen künftig nur noch Leistungen bei Soll-Versteuerern in Auftrag geben sollten, um sich Fragen rund um den richtigen Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug zu ersparen. Damit wären Ist-Versteuerer Leidtragende des Jahressteuergesetzes 2024.

Es mag ja sein, dass die Bundesregierung und der Gesetzgeber durchaus guten Willens sind und die Bürokratie abbauen möchten, doch sie scheitern an ihren Ministerien, in denen immer nur im Kleinen gedacht und gesamtwirtschaftliche Fragen offenbar keine Rolle spielen.

Sicherlich kann seitens der Finanzverwaltung vorgebracht werden, dass man doch nur die deutsche Regelung mit dem EU-Recht in Einklang bringen möchte. Dieses Argument würde ich gelten lassen, wenn ich einen ernsthaften Willen erkennen würde, auch an anderer Stelle nationales und EU-Recht miteinander harmonisieren zu lassen. Doch die deutsche Finanzverwaltung ist nur dann Treiber der Harmonisierung, wenn sie ihr gefällt. Ich erwähne nur die deutsche Organschaftsbesteuerung, die man im Einklang mit dem EU-Recht wesentlich einfacher gestalten könnte.

Ich gebe zu, dass die geplante Neuregelung vielleicht auch Gestaltungen verhindert, doch sprechen wir ja nicht über endgültige Steuerausfälle, sondern über zeitliche Verschiebungen, die ohnehin nur im begrenzten Maße möglich sind, da auch nach derzeitigem Recht der Vorsteuerabzug nach § 17 UStG entfallen kann, wenn klar ist, dass gar kein Wille zur Bezahlung vorliegt.

Für mich ist die geplante Änderung daher der Aufreger des Monats.

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