Aufreger des Monats Januar: Genossenschaftsmitglieder müssen Mietminderungen versteuern

Im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gibt es fast 2.000 Baugenossenschaften, die rund 2,2 Millionen Wohnungen verwalten. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband schätzt, dass mehr als 5 Millionen Menschen in einer Genossenschaftswohnung leben (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnungsbaugenossenschaft).

Insofern dürfte die folgende Information viele Wohnungsbaugenossenschaften und deren Mitglieder aufhorchen lassen: Der BFH hat entschieden, dass eine Mietminderung, die eine Wohnungsbaugenossenschaft ihren Mitgliedern anstelle einer Gewinnberechtigung für zusätzlich erworbene Genossenschaftsanteile gewährt, als Kapitalertrag zu versteuern ist (BFH-Urteil vom 22.10.2024, VIII R 23/21). Dies beruhe auf dem Zusammenspiel von § 20 Abs. 3 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Das heißt: Der Anspruch eines Mitglieds auf Minderung des Nutzungsentgelts für die von ihm bewohnte Genossenschaftswohnung stellt einen besonderen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 3 EStG dar, der gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Kapitalertrag gilt.

Der Sachverhalt:

Die Kläger waren Mitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft und nutzten eine Genossenschaftswohnung. Sie erwarben zusätzlich freiwillige Genossenschaftsanteile ohne Dividendenberechtigung. Im Gegenzug wurde die zu zahlende Wohnungsmiete herabgesetzt. Die Höhe der Verringerung der Wohnungsmiete erfolgte dabei in Abhängigkeit der von der Vertreterversammlung beschlossenen Dividende auf freiwillige Anteile, die an Gewinnausschüttungen teilnahmen.

Das Finanzamt kam zu dem Schluss, dass es sich bei den Mietminderungen, die den Mitgliedern gewährt wurden, aus deren Sicht um Einnahmen aus Kapitalvermögen handele. Die hiergegen gerichtete Klage und auch die Revision blieben ohne Erfolg.

Die Begründung:

Hinsichtlich der Minderung des Nutzungsentgelts für die von den Klägern angemietete Wohnung handelt es sich um steuerbare Kapitalerträge. Die Minderung des Nutzungsentgelts erfüllte als geldwerter Vorteil den weiten Begriff der Einnahme im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG und war durch den Erwerb zusätzlicher freiwilliger Genossenschaftsanteile und damit durch das Genossenschaftsverhältnis bedingt und veranlasst.

Die Minderung des Nutzungsentgelts trat bei wirtschaftlicher Betrachtung an die Stelle einer Gewinnausschüttung auf die von den Klägern freiwillig erworbenen zusätzlichen Genossenschaftsanteilen. Die zusätzlichen Anteile vermittelten keinen Gewinnanspruch, sondern einen Anspruch auf Verringerung des Nutzungsentgelts. Ohne den Erwerb zusätzlicher freiwilliger Anteile hätten die Kläger die Minderung des Nutzungsentgelts nicht erreichen können.

Denkanstoß:

Nach den Buchstaben des Gesetzes ist die Entscheidung sicherlich richtig. Dennoch mutet sie gerade in der heutigen Situation seltsam an. Der Gesetzgeber fördert die verbilligte Überlassung von Wohnungen über § 21 Abs. 2 EStG, das heißt über die 50- bzw. 66-Prozent-Grenze. Und auch gesamtpolitisch ist die Zurverfügungstellung von günstigem Wohnraum gewollt. Folglich ist es zumindest laienhaft betrachtet unlogisch, wenn ein Mietvorteil versteuert werden muss.

Übrigens nützt es den Mietern/den Genossenschaftsmitgliedern nichts, wenn die Genossenschaft selbst eine anderslautende verbindliche Auskunft ihres Finanzamts erhalten hat. Diese hat – wenn nicht ausdrücklich verfügt – keine Wirkung für die Genossenschaftsmitglieder und deren Finanzämter, sondern bindet nur das Finanzamt der Genossenschaft selbst.

Da hilft auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben. Auch deshalb ist das Urteil für mich der Aufreger der Monats Januar 2025.

 

Fahrten von Leiharbeitern zum Tätigkeitsort – weiteres Verfahren beim BFH

Viele Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer sind der Auffassung, dass sie ihre Fahrtkosten zum jeweiligen Tätigkeitsort nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und gegebenenfalls sogar Mehraufwendungen für Verpflegung abziehen können. Naturgemäß hat die Finanzverwaltung dazu eine ganz eigene Meinung und lässt in den meisten Fällen lediglich die Entfernungspauschale und schon gar keine Verpflegungsmehraufwendungen zum Abzug zu.

Allerdings ist die Rechtslage auch schwierig – und durch die Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die seit dem 1.4.2017 gilt, wird es noch komplizierter. Jedoch könnte sich ebenjene Neuregelung für unzählige Leiharbeitnehmer in steuerlicher Hinsicht auszahlen, denn wenn man der Auffassung des FG Düsseldorf in einem aktuellen Urteil folgt, könnten viele Betroffene ihre Fahrtkosten nun nach Reisekostengrundsätzen geltend machen (Urteil vom 20.11.2024, 15 K 1490/24 E). Doch der Reihe nach. Weiterlesen

Versorgungsfreibetrag bei interner Teilung nach Scheidung: Jahr des Versorgungsbeginns umstritten

Der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag, die die Besteuerung von Pensionen mildern, werden seit Jahren abgeschmolzen. Früher, das heißt beispielsweise bei Beginn des Ruhestands in 2005, 2006 oder 2007, hatten sie hingegen eine durchaus beachtliche Höhe. Von daher kann es im Einzelfall sinnvoll sein zu prüfen, ob das Finanzamt bei der Ermittlung der Höhe des Versorgungsfreibetrages vom richtigen Versorgungsbeginn ausgegangen ist.

Das Hessische Finanzgericht FG hat diesbezüglich entschieden: Bei einer nachträglich internen Teilung eines laufenden beamtenrechtlichen Versorgungsbezugs gilt für die Höhe der Versorgungsfreibeträge nach § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG das Jahr des Eintritts des ausgleichspflichtigen Ehegatten in den Ruhestand auch als Versorgungsbeginn beim ausgleichsberechtigten Ehegatten (Hessisches FG, Urteil vom 5.6.2024, 4 K 1272/23). Weiterlesen

Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit „anderem“ Grundstücksverkauf

Nach dem Verkauf eines (vermieteten) Grundstücks lösen die Verkäufer oftmals die noch existierenden Darlehen ab und zahlen dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung. Bereits seit vielen Jahren ist es leider gängige Praxis der Gerichte und der Finanzverwaltung, dass die Vorfälligkeitsentschädigung selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen wird, wenn sie ausnahmsweise den Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjektes zugerechnet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13; BMF-Schreiben vom 27.7.2015, BStBl 2015 I S. 581; Blog-Beitrag „Vorfälligkeitsentschädigung auch beim Surrogat nicht abziehbar“ von Christoph Iser).

Kürzlich hatte ich bereits ein interessantes Urteil des FG Köln hat vorgestellt, das den Abzug der Vorfälligkeitsentschädigung zwar ebenfalls versagt, aber Ausführungen gemacht hat, die mit etwas Wohlwollen als „Rückkehr zur früheren Surrogatrechtsprechung“ verstanden werden könnten (FG Köln, Urteil vom 19.10.2023, 11 K 1802/22; vgl. Blog-Beitrag „Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit Grundstücksverkauf – im Einzelfall doch abziehbar?“ ).

Heute möchte ich ein – ebenfalls interessantes – Urteil des Niedersächsischen FG vorstellen. Dieses hat  entschieden, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung ausnahmsweise als Werbungskosten anzuerkennen ist, wenn eine Immobilie veräußert wird, die bei Aufnahme eines Darlehens zwar als Sicherheit gedient hat, das Darlehen selbst aber ein anderes Gebäude betraf und dieses Objekt auch weiterhin vermietet wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23). Weiterlesen

Verträge zwischen nichtehelichen Lebenspartnern – zurück in die Zukunft?

Sind die für Verträge zwischen nahen Angehörigen geltenden Grundsätze des Fremdvergleichs auch auf Verträge zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden? Diese Frage wird bald der BFH beantworten müssen. Genau genommen „will“ er die Frage sogar beantworten, denn er hat in einem bemerkenswerten Fall die Revision – nach einer Nichtzulassungsbeschwerde – zugelassen (Az. X R 5/24). Vorausgegangen ist ein Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 16.3.2023 (2 K 385/18).

Der Sachverhalt:

Ein Profiboxer zahlte seiner Lebensgefährtin ein Honorar von zunächst 10 Euro und später 20 Euro pro Stunde für diverse Bürotätigkeiten. Der Boxer und die Frau traten nach außen hin als Paar auf, vor Gericht gaben sie aber dennoch an, dass sie gar nicht zusammengelebt hätten. Unklar blieb im Übrigen, welche Tätigkeiten im Einzelnen erbracht wurden. Es gab auch keine schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen darüber. Das Finanzamt – und auch das FG – versagten daher den Abzug der Honoraraufwendungen. Weiterlesen

Erbschaftsteuer: Auswirkung von Sterbegeldversicherung und Bestattungskosten

Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der verstorbene Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, erhöhen als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass. Im Gegenzug sind jedoch die Kosten der Bestattung im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen – so hat der BFH mit Urteil vom 10.7.2024 (II R 31/21) entschieden.

Diese interessante Entscheidung zur Erbschaftsteuer soll nachfolgend kurz vorgestellt werden. Weiterlesen

Dienstwagen: Keine Minderung des Nutzungswerts um Maut-, Fähr- und Parkkosten

Überlässt der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, so ist dieser geldwerte Vorteil zu versteuern. Zumeist wird für die Ermittlung des geldwerten Vorteils die so genannte Ein-Prozent-Regelung genutzt. Bestimmte Aufwendungen, die vom Arbeitnehmer selbst getragen werden, mindern den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil, zum Beispiel Treibstoffkosten, Wartungs- und Reparaturkosten, Kraftfahrzeugsteuer. Einzelheiten dazu finden sich im BMF-Schreiben vom 21.9.2017, BStBl 2017 I S. 1336 Rz. 3 – 5).

Nicht angerechnet werden aber – nach der Verwaltungsauffassung – zum Beispiel Fährkosten, Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren (Vignetten, Mautgebühren), Parkgebühren, Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen sowie Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder. Der BFH hat die Auffassung des BMF nun bestätigt (BFH Urteil v. 18.06.2024 – VIII R 32/20).

Der Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer durfte seinen Dienstwagen auch privat nutzen. Den geldwerten Vorteil ermittelte er nach der Ein-Prozent-Regelung. Er beantragte, diesen Vorteil um selbst getragene Maut, Fähr- und Parkkosten sowie die Absetzung für Abnutzung (AfA) eines privat angeschafften Fahrradträgers für den Dienstwagen zu mindern. Die Maut- und Fähraufwendungen betrafen private Urlaubsreisen und Fahrten des Klägers, ebenso die Parkkosten. Doch Finanzamt, Finanzgericht und BFH lehnten eine Anrechnung dieser Kosten ab.

Die Begründung in aller Kürze:

Eine Kostentragung des Arbeitgebers für Maut, Fähr- und Parkkosten, die dem Arbeitnehmer auf Privatfahrten entstünden, würde einen eigenständigen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers neben dessen Vorteil aus der reinen Überlassung des Fahrzeugs für Privatfahrten begründen. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers aus der Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs nicht gemindert werde, wenn der Arbeitnehmer diese Aufwendungen trage. Dies gelte ebenso für die vom Arbeitnehmer auf Privatfahrten getragenen Parkkosten und für den Wertverlust aus einem vom Steuerpflichtigen erworbenen Fahrradträger in Höhe der AfA.

Denkanstoß:

Der BFH hat entschieden, dass gezahlte Nutzungsentgelte, die der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung (Nutzung zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte) leistet, den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung mindern. Denn insoweit fehlt es an einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit an einer Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2016, VI R 2/15). Auch wird der geldwerte Vorteil aus der Nutzungsüberlassung gemindert, wenn der Arbeitnehmer zeitraumbezogene Einmalzahlungen für die außerdienstliche Nutzung leistet oder einen Teil oder die gesamten Anschaffungskosten für den betrieblichen Pkw übernimmt (BFH-Urteil vom 16.12.2020, VI R 19/18).

Doch alles hat seine Grenzen und bei eindeutig privat veranlassten Aufwendungen zieht der BFH einen Schlussstrich.

Ausbildungsunterbrechung während Corona-Pandemie: Richter haben kein Einsehen

Die Corona-Pandemie scheint für den einen oder anderen schon Ewigkeiten her zu sein – und anderem auch für manchen Richter. So wird zuweilen verkannt, unter welchem Druck insbesondere junge Menschen standen, die noch zur Schule gingen oder sich gerade in der Berufsausbildung befanden. Wer etwa eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Touristikbranche aufgenommen hatte, sah für sich mitunter in diesem Bereich keinerlei Zukunftsperspektive mehr und hat sich noch während der Ausbildungsphase umorientiert.

Nun war es aber nicht gerade so, dass man mit dem Finger schnippen konnte und schon war am nächsten Tag ein neuer Ausbildungsbetrieb gefunden. Vielmehr vergingen vielleicht fünf oder sechs Monate, um eine neue Ausbildung beginnen zu können.

Gerade in solchen Fällen sollte man doch meinen, dass es in Sachen „Kindergeld“ eine Billigkeitsregelung gegeben haben müsste, das heißt, dass die Eltern den Kindergeldanspruch auch bei einer Ausbildungsunterbrechung von mehr als vier Monaten nicht verloren hätten. Doch weit gefehlt. Weiterlesen

PV-Anlagen: Abzugsverbot für nachlaufende Betriebsausgaben – Revisionen liegen nun vor

Wie im Rahmen des NWB Expertenblogs bereits mehrfach dargestellt, ist fraglich, ob so genannte nachlaufende Betriebsausgaben für nunmehr steuerbefreite Photovoltaikanlagen abziehbar sind. Jetzt sind die Aktenzeichen von zwei Revisionsverfahren bekannt geworden, auf die sich Betroffene stützen sollten. Sie lauten III R 35/24 (Vorinstanz FG Nürnberg) und X R 30/24 (Vorinstanz FG Münster).

Worum geht es?

In vielen Fällen sind in 2022 oder 2023 noch Betriebsausgaben für Photovoltaikanlagen angefallen, die den Betrieb früherer Jahre betreffen, beispielswiese eine Umsatzsteuer-Nachzahlung für 2021, die erst in 2022 an das Finanzamt entrichtet worden ist. Weiterlesen

Wer fragt im Restaurant nun nach der E-Rechnung?

Seit dem 1. Januar 2025 ist für Umsätze zwischen inländischen Unternehmern regelmäßig eine elektronische Rechnung (E‑Rechnung) zu erstellen. Ich befürchte, dass manchem Unternehmer erst jetzt bewusst wird, welch Schwierigkeit die E-Rechnung im Einzelfall mit sich bringen kann.

Ich selbst bin gerade bei den FAQs des BMF zum Thema „E-Rechnung“ über folgenden Punkt gestolpert:

Frage: Müssen ERechnungen auch für Barkäufe ausgestellt werden? Weiterlesen