BAG: Arbeitslohnanspruch nach Rückkehr aus Corona-Risikogebiet

In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG (Urteil v. 10.8.2022 – 5 AZR 154/22) einen Arbeitslohnanspruch nach Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet bejaht und damit die Grenzen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers während der Corona-Pandemie markiert. Für Details zum Sachverhalt lesen Sie die NWB Online-Nachricht „Arbeitsrecht | Anspruch auf Arbeitslohn nach Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet“.

BAG: Betriebliches Betretungsverbot nicht zu rechtfertigen

Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, schuldet der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs .

Das von der Beklagten erteilte Betretungsverbot des Betriebs hat nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB) geführt, weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde.

Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam: Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.

Praktische Auswirkungen und Bewertung

Das BAG-Urteil ist ein weiterer Beleg dafür, dass es der Arbeitgeber auch in der Corona-Pandemie mit seinem betrieblichen Schutzkonzept nicht übertreiben darf, andernfalls schuldet er wie im Streitfall den Arbeitslohn ggf. auch ohne Gegenleistung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber überzieht mit seiner Fürsorgepflicht, wenn er über das hinausgeht, was der landesrechtliche Verordnungsgeber beim Quarantäne- und Absonderungsschutz vorgibt – jedenfalls in Bezug auf seine Entlohnungsverpflichtung.

Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB zwar verpflichtet die Arbeitsleistungen so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind, soweit es die konkrete Arbeitsleistung erlaubt; die Regeln des ArbSchG konkretisieren hierbei den Inhalt der Fürsorgepflichten. In diesem Rahmen kann der Arbeitgeber zum Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach § 106 S. 2 GewO nach billigem Ermessen auch Weisungen erteilen (BAG v. 1.6.2022 – 5 AZR 28/22NWB Online-Nachricht) zur Anordnung von Corona-Tests). Da im Streitfall der Arbeitgeber von der weniger eingriffsintensiven Testanordnung keinen Gebrauch gemacht hat, war die BAG-Entscheidung folgerichtig.


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