BFH zur Optionsprämie als Anschaffungskosten des Underlyings

Mit Urteil v. 22.5.2019 hat der BFH entschieden: „Die für die Einräumung der Option ursprünglich angefallenen Anschaffungskosten sind bei Optionsausübung als Anschaffungsnebenkosten Teil der Anschaffungskosten der zum vereinbarten Basispreis erworbenen Aktien.“ Ist das eine umwerfende neue Erkenntnis?

Die Brisanz des Urteils wird aus dem Leitsatz nicht ersichtlich, weil es sich um einen Fall handelt, in dem zwischenzeitlich eine außerplanmäßige Abschreibung, steuerlich als Teilwertabschreibung, auf die Optionen vorgenommen worden war. Mangels nach damaligem Recht erforderlicher Wertaufholung enthielten die Optionen im Ausübungszeitpunkt stille Reserven. Wie ist das Urteil zu verstehen und zu würdigen?

Im entschiedenen Fall lagen aus einer zuvor erworbenen Optionsanleihe abgespaltene Optionsrechte, d.h. Kaufoptionen, vor. Die Anleihe war ohne die Optionsrechte weiterveräußert worden. Die Optionen zum Erwerb einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen waren ausgeübt worden.

Die Bilanzierung von erworbenen Optionen, wie insgesamt derivativer Finanzinstrumente, wirft nicht nur nach IFRS, sondern auch nach HGB immer wieder interessante Fragen auf. Handelsrechtlich kann man schon darüber streiten, ob es sich überhaupt um einen bilanzierbaren Vermögensgegenstand oder als bedingtes Termingeschäft um ein nach GoB grundsätzlich nicht zu bilanzierendes schwebendes Geschäft handelt. Nach h.M. ist das Vorliegen eines Vermögensgegenstands bei einem erworbenen Optionsrecht zu bejahen. Der aus dem Optionsgeschäft resultierende Rechtsanspruch des Inhabers wird als selbständig verwertbarer wirtschaftlicher Vorteil interpretiert und ist damit aktivierungspflichtig (§ 246 Abs. 1 HGB).

Da Optionsrechte ansatzpflichtige Vermögensgegenstände sind, gelten für sie die üblichen Bewertungsregeln. Im Urteilsfall war der Buchwert ausgehend vom Zugangswert wegen einer Abschreibung gemindert. Eine Wertaufholung war gemäß Urteilssachverhalt nach damaligem Recht nicht erforderlich. Damit hat sich die Frage gestellt, ob bei Ausübung der Optionen deren letzter (geminderter) Buchwert in den Anschaffungskosten der unter Einsatz der Optionen erworbenen Beteiligung zu berücksichtigen sind, was zu keiner Erfolgswirkung führt. Die Gegenauffassung sah die ursprünglichen Anschaffungskosten der Optionsrechte als Bestandteil der Anschaffungskosten der erworbenen Beteiligung, was entsprechend einer Wertaufholung der Optionsrechte zu einem positiven Erfolg führt. Der BFH folgt der zweiten Auffassung.

Gem. des Maßgeblichkeitsprinzips geht der BFH zunächst davon aus, dass der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten in Ermangelung einer abweichenden Definition im EStG auch der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen ist. Den Erwerb der Optionsrechte und den anschließenden Erwerb der Beteiligung sieht der BFH als eigenständige Transaktionen. Das entspricht der sog. „Zweivertragstheorie, wonach zwischen dem Erwerb des Optionsrechts als solchem und der Ausübung der Option mit Abschluss des Hauptvertrags zu unterscheiden ist“.

Ausgehend von der Zweivertragstheorie kommt man schnell auf den Gedanken, im Umfang der Ausübung der Optionsrechte läge ein partieller Tausch von Optionsrechten und erworbener Beteiligung vor. Das sieht der BFH jedoch nicht so, weil die Option bei Ausübung untergehe bzw. verbraucht werde und nicht auf den Stillhalter der Optionen, den Veräußerer der Beteiligung, übergehe. Damit läge kein gewinnrealisierender Absatzvorgang vor. Wie kommt man dann aber zum Ergebnis des BFH?

Hierzu wird im Urteil zunächst lapidar festgestellt: „Im Falle der Ausübung der Option sind jedoch die von der Klägerin für die Einräumung der Option gezahlten Beträge als Anschaffungsnebenkosten der erworbenen Aktien zu erfassen.“ Wie begründet der BFH dann aber: „Der Erwerb der Option bewirkt, dass bereits in Höhe des hierfür aufgewendeten Betrags Anschaffungsnebenkosten des nachfolgenden Erwerbs vorliegen, auch wenn diese spezifische Bedeutung nur dann zum Tragen kommt, wenn das Optionsrecht tatsächlich ausgeübt wird und hierbei selbst untergeht. Diese Zuordnung (aufschiebend bedingt durch die nachfolgende Ausübung des Optionsrechts) ist dadurch gerechtfertigt, dass mit dem Erwerb der Option Bedingungen des späteren „Hauptgeschäfts“ fixiert werden.“

Daraus folgert der BFH, dass die Anschaffungskosten einer Option außer im Fall der Optionsausübung den Regelungen für die Bilanzierung eigenständiger Vermögensgegenstände unterliegen, jedoch nicht im Fall der Ausübung. Bei Optionsausübung kommt scheinbar eine finale Interpretation der Anschaffungskosten des Optionsrechts als „Schon-Anschaffungskosten“ der Beteiligung zum Tragen. Die Zweivertragstheorie wird wohl teilkastriert, weil für den Fall der Optionsausübung nicht mehr die Folgen eines eigenständigen Vermögensgegenstands „Optionsrecht“ gelten sollen. Der für den Optionszugang gezahlte Anschaffungspreis soll für den Fall der Optionsausübung in voller Höhe auch beim Zugang der Aktien angesetzt werden, damit sich der Anschaffungsvorgang der Beteiligung vermeintlich erfolgsneutral vollziehen kann. „Daher wirkt sich bei einer wertgeminderten Option die Differenz zu den historischen Anschaffungskosten dieses Rechts im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts gewinnerhöhend aus.“

Aus der Zweivertragstheorie wird dadurch eine Art „Zweidimensionentheorie“. Mit dem vorliegenden Urteil katapultiert sich der BFH wieder einmal aus der Welt der eindimensionalen Denker heraus. Da wo es denkgesetzlich nicht passt, versetzt sich der BFH einfach in eine andere Dimension, wo es so lästige „Kleingeister“, wie namhafte handelsrechtliche Kommentare oder das Institut der Wirtschaftsprüfer, nicht mehr gibt: „Wird bei Ausübung eines Optionsrechts ein Vermögensgegenstand erworben …, ist der Buchwert des Optionsrechts Bestandteil der Anschaffungskosten des Vermögensgegenstands…“ (IDW BFA 6, Tz. 22).

Bitte, bitte, lieber Gesetzgeber: Löse endlich Handels- und Steuerbilanz voneinander. Dann können Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung die Steuerpflichtigen mit ihrer Vorstellung einer zutreffenden Steuerbilanz überziehen, ohne die Handelsbilanz zu „verbiegen“. Weil das aber in naher Zukunft nicht zu erwarten ist, bin ich gespannt, wie IDW und Kommentarliteratur mit den Auswirkungen des Urteils auf die Handelsbilanz umgehen. Zwar gilt nach aktueller handelsrechtlicher Gesetzeslage inzwischen ein Wertaufholungsgebot (§ 253 Abs. 5 HGB, steuerlich § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG). Nach aktueller Rechtslage würde sich die dem Urteilsfall zugrundeliegende Konstellation damit wohl nicht mehr ergeben. An den Bedenken gegen die Argumentation des BFH ändert das aber nichts, denn es bleiben Fälle, bei denen nach einer Abschreibung der Optionsrechte bis zu deren Ausübung keine Werterholung eingetreten ist.

Weitere Informationen:

BFH v. 22.05.2019 – XI R 44/17

IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Optionsgeschäften bei Instituten (IDW RS BFA 6), WPg Supplement 4/2011, S. 52 ff., FN-IDW 10/2011, S. 656 ff.

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