BGH spricht Machtwort: Corona-Soforthilfe unterliegt Pfändungsschutz

Mit Rücksicht auf die besondere Zweckbindung der Soforthilfe unterliegt diese einem besonderen Schutz und darf nicht gepfändet werden (§ 851 Abs.1 ZPO); folgerichtig ist in Höhe des bewilligten und auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag zu erhöhen (§ 850k Abs. 4 ZPO) – sagt der BGH in letzter Instanz (BGH 10.3.2021 – VII ZB 24/20).

Hintergrund und Sachverhalt

Die Klägerin hatte antragsgemäß Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro bewilligt bekommen. Die Bank verweigerte die Auszahlung des auf einem Pfändungsschutzkonto eingegangenen Betrages, weil anderweitige Pfändungen vorlagen. Dem hat der BGH widersprochen und den pfändungsfreien Betrag um die überwiesene Soforthilfe erhöht.

Besondere Zweckbindung der Corona-Soforthilfe

Der BGH begründet die Unpfändbarkeit der Forderung (§ 851 Abs. 1 ZPO) mit der „besonderen Zweckbindung“ der Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt, die der Abmilderung der finanziellen

Notlage des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie dient. Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Auf diese Zweckbindung hatte der BGH schon letztes Jahr hingewiesen (BGH 9.7.2020 – VII S 23/20).

Was bedeutet das für den Schutz von Schuldnern und Gläubigern in der Praxis?

Die Soforthilfe-Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, aber nicht zur Befriedigung von Alt-Gläubigern für Forderungen, die vor Beginn des Corona-Zuwendungszeitraums ab 1.3.2020 entstanden sind. Gläubiger von vor dem 1.3.2020 entstandenen Forderungen können deshalb nicht auf die Soforthilfe zugreifen, Banken dürfen die auf Pfändungsschutzkonten eingehenden Soforthilfezahlungen dem Schuldner nicht vorenthalten. Der Schuldner muss als Antragsteller und Bewilligungsverfahren bei der Schlussabrechnung eine ordnungsgemäße, den Förderbestimmungen entsprechende Verwendung nachweisen und verantworten. Deswegen entscheidet auch er allein, ob, welche und in welchem Umfang er bestehende – nach dem 1.3.2020 entstandene – Verbindlichkeiten mit der erhaltenen Soforthilfe ausgleichen will.

Soweit der BGH meint, „die Gewährung der Corona-Soforthilfe der Auszahlung einer der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialleistung gleichzustellen“ mit der Folge, dass in entsprechender Anwendung von § 850 k Abs. 4 ZPO auf Antrag der Pfändungsfreibetrag zu erhöhen sei, kann dem BGH in der Begründung m.E. nicht gefolgt werden. Denn das Soforthilfeprogramm deckt ausschließlich existenzbedrohende betriebliche Liquiditätsengpässe ab, wenn aufgrund coronabedingter Umsatzeinbußen laufende betriebliche Ausgaben nicht mehr durch vorhandene, betriebliche Mittel gedeckt werden können. Bloße Einnahmeausfälle werden also ebenso wenig gefördert wie der bloße laufende Lebensunterhalt (VG Gießen 3.12.2020 – 4 K 3429/20, GewArch 2021, 69). Der Sicherung des privaten Lebensunterhalts dienen solche Transferleistungen gerade eben nicht, deswegen können sie meines Erachtens auch nicht „Sozialleistungen“ gleichgestellt werden.

Gilt der Pfändungsschutz auch für die Corona-Überbrückungshilfe?

Auch Zahlungen der Überbrückungshilfe III können nicht gepfändet werden, wenn ein Pfändungsschutz besteht (FAQ Überbrückungshilfe Ziff. 5.1). Grundsätzlich kann bei der Überbrückungshilfe III ein Pfändungsschutz aufgrund ihrer Zweckbindung (Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch Beitrag zu den betrieblichen Fixkosten) bestehen. Ob eine Unpfändbarkeit im Einzelfall vorliegt, muss aber durch das zuständige Vollstreckungsgericht festgestellt werden.

Kosten des privaten Lebensunterhalts wie die Miete, Krankenversicherungsbeiträge sowie Beiträge zur privaten Altersvorsorge werden aber ebenfalls nicht durch die Überbrückungshilfe abgedeckt, hierfür wurde der Zugang zur Grundsicherung (SGB II) vereinfacht und bis 31.12.2021 verlängert. Denn die Überbrückungshilfe dient ebenfalls nur der Mitfinanzierung der laufenden betrieblichen Ausgaben, während das ALG eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ist.

 Quellen:

BGH 10.3.2021 – VII ZB 24/20

Corona | Soforthilfe nicht pfändbar (BGH), Online-Nachricht vom 08.04.2021

 

 

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