Bundesverfassungsgericht kippt Umwidmung von Corona-Krediten

Am 15.11.2023 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Umwidmung von Corona-Krediten für Klimaprojekte im Nachtragshaushalt des Bundes für nichtig erklärt. Welche Bedeutung hat die Entscheidung der obersten Verfassungshüter?

Hintergrund

Im Zuge der Corona-Pandemie hatte die Ampelregierung außerhalb des normalen Bundeshaushalts zur Finanzierung der Pandemie-Folgen zusätzliche Haushaltsmittel in Milliardenhöhe bereitgestellt. Wegen dieser Pandemie-Notkredite wurde damals – rechtmäßig – die Schuldenbremse des Grundgesetzes (GG) ausgesetzt. Mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (BGBl 2022 I S. 194 wurden das Gesamtvolumen des Bundeshaushalts 2021 von 547,7 Mrd, Euro auf 572,7 Mrd. Euro und das Volumen des EKF von 42,6 Mrd. Euro auf 102,6 Milliarden Euro erhöht. Nachdem absehbar war, dass diese Mitte nicht vollständig für die Finanzierung der Pandemie-Folgen benötigt werden, hat die Bundesregierung in 2022 60 Mrd. Euro im Bundeshaushalt des Vorjahres umgewidmet für Klimaprojekte und Ansiedlung von Zukunftstechnologien im inzwischen sog. Klima- und Transformationsfonds (ursprünglich Energie- und Klimafonds – EKF), der der Umstrukturierung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft dienen soll.

BVerfG erklärt Umwidmung für nichtig

Am 15.11.2023 hat das BVerfG (2 BvF 1/22) das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (BGBl 2022 I S.194) aus drei Gründen für nichtig erklärt:

  • Erstenshat der Gesetzgeber den notwendigen Veranlassungszusammenhang zwischen  der festgestellten Notsituation und den ergriffenen Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht ausreichend dargelegt.
  • Zweitens widerspricht die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage gemäß Art. 115 Abs. 2 S.6 GG vom tatsächlichen Einsatz der Kreditermächtigungen den Verfassungsgeboten der Jährlichkeit und Jährigkeit. Die faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die „Schuldenbremse“ bei gleichzeitiger Anrechnung als „Schulden“ im Haushaltsjahr 2021 ist demzufolge unzulässig.
  • Drittens verstößt die Verabschiedung des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 nach Ablauf des Haushaltsjahres 2021 gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit aus Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG.

Folge ist, dass sich der Umfang des KTF um 60 Milliarden Euro reduziert. Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren.

Auswirkungen der Entscheidung

Die fiskalischen Auswirkungen des BVerfG-Verdikts reißt ein 60 Mrd. Euro großes Finanzloch in den Haushalt der Bundesregierung. Das schon für Klimaprojekte „geparkte“ Geld muss jetzt woanders im Bundeshaushalt der nächsten Jahre bereitgestellt werden – oder die Projekte scheitern an der Finanzierbarkeit. Für den Haushalt 2024, dessen Details am 16.11.2023 in den Ausschüssen final beraten werden, hat die BVerfG-Entscheidung zwar keine unmittelbaren Auswirkungen. Allerdings sieht die Mittelfristplanung bis 2027 Ausgaben in Höhe von rund 212 Mrd. Euro vor – von denen jetzt 60 Mrd. Euro fehlen, da die Mittel nach der BVerfG-Entscheidung zurückgezahlt werden müssen. Damit steht die Ampelkoalition in einer Phase knapper Kassen abermals vor einer gewaltigen Belastungsprobe: Da entsprechende Steuermehreinnahmen in den nächsten Jahren nach Lage der Dinge nicht zu erwarten sind, ist Sparen angesagt – aber wo? Fördergelder für Zukunftstechnologien, Förderungen im Rahmen des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) oder weitere Steuerentlastungen – alles muss jetzt wieder auf den Prüfstand. Am Ende könnte sogar die Schuldenbremse (Art. 115 GG) im Grundgesetz zur Disposition stehen; dafür wäre aber eine verfassungsändernde 2/3-Mehrheit im Bundestag erforderlich (Art. 79 GG). Das sind weder fiskalisch noch politisch gute Aussichten.

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