Corona-Insolvenzschutz: Bundestag bringt Gesetz zur Verlängerung der Antragsfrist auf den Weg

Der Bundestag hat am 10.9. 2020 in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes – COVInsoAG- (BT-Drs. 19/22178) beraten.

Hintergrund

Durch das COVInsAG, das Bestandteil Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (v. 27.3.2020, BGBl. I S. 569) ist, ist diese Pflicht rückwirkend ab 1.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt worden. Auch das Recht der Gläubiger, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für zahlungsunfähige oder überschuldete Schuldner zu beantragen (so genannte Gläubigerfremdanträge oder Fremdanträge) gilt für Anträge, die zwischen dem 28.3. und 28.6.2020 gestellt worden sind, das Insolvenzverfahren nur dann eröffnet wird, wenn der Insolvenzgrund bereits am 1.3.2020 vorlag (§ 3 COVInsAG). Ziel dieser Sonderregelung ist es, die Fortführung von Gesellschaften zu ermöglichen, die durch die COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind und ohne dieses Gesetz insolvent wären. Ihnen soll die Zeit gegeben werden, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen und mit Gläubigern und Kapitalgebern Finanzierungsvereinbarungen (z. B. Darlehen) und Sanierungsabreden (z. B. Schuldenschnitte) zu verabreden, um die wirtschaftliche Schieflage in den Griff zu bekommen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht setzt voraus, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit erfordert sie außerdem, dass Aussichten darauf bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Die Insolvenzantragspflicht ist nur solange ausgesetzt, wie tatsächlich Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Bestehen keine Aussichten mehr, muss unverzüglich ein Insolvenzantrag gestellt werden.

Corona-Sonderregeln zur Insolvenzantragsfrist bislang bewährt

Die im Zuge der Corona-Gesetzgebung vom Bund eingeführten und bis 30.9.2020 befristeten Sonderregelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragfrist bei coronabedingter Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung haben sich bislang ausgezahlt: Das Statistische Bundesamt meldet im September 2020 weniger Unternehmenspleiten dank der Corona-Sondervorschriften. Trotz der Corona-Krise sind im ersten Halbjahr 2020 weniger Unternehmen in Deutschland in die Pleite gerutscht. Die Amtsgerichte meldeten bislang 9006 Unternehmensinsolvenzen für das erste Halbjahr 2020. Das waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 6,2 Prozent weniger als in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019. Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im ersten Halbjahr im Handel – einschließlich Kfz-Werkstätten – mit 1485 Fällen. Firmen des Baugewerbes stellten 1462 Anträge, das Gastgewerbe meldete 1004 Insolvenzanträge. Das bedeutet: Die coronabedingte wirtschaftliche Not vieler Unternehmen  spiegelt sich jedenfalls bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Insolvenzen.

Ein wichtiger Grund für den Rückgang ist, dass die Insolvenzantragspflicht für Firmen durch das COVInsoAG (v. 27.3.2020, BGBl. I S. 569) rückwirkend seit 1.3.2020 ausgesetzt ist.  Das Bundeskabinett hatte nun am 25.8.2020 beschlossen, die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, bis Jahresende ausgesetzt zu lassen, falls die Überschuldung eines Unternehmens Folge der Corona-Krise ist. Die Lockerungen waren im März zunächst bis September 2020 eingeführt worden, um eine Pleitewelle in der Pandemie zu verhindern. Dabei war zunächst auch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt worden. Diese zweite Ausnahme soll nun wegfallen, wenn der Beschluss des Bundestags Gesetzeskraft hat.

Was ist Inhalt der geplanten Gesetzesänderung?

Um Unternehmen, die bedingt durch die Corona-Pandemie insolvenzgefährdet sind, auch weiterhin die Möglichkeit zu geben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren, soll die Insolvenzantragspflicht weiterhin ausgesetzt werden können. Die weitere Aussetzung soll aber nur noch für Unternehmen gelten, die pandemiebedingt „überschuldet“, aber nicht „zahlungsunfähig“ sind. Hierzu sollen §§ 1, 2 COVInsoAG geändert werden,  indem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in den Fällen der Überschuldung für den Zeitraum vom 1.10.2020 bis zum 31.12.2020 verlängert wird.

Was bedeutet das in der Praxis ?

Die sich abzeichnende Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung wird voraussichtlich weiter dazu beitragen, dass die Insolvenzzahlen sich auf einem verträglichen Niveau bewegen – aber nur bis Ende 2020. Auch wenn die „fehlende Überschuldung“ dann um ein Vierteljahr die Pflicht zur Insolvenzantragstellung verlängert: Wirklich helfen wird das vielen Unternehmen nicht. Denn im Bankengespräch werden die Banken auch über den 31.12.2020 hinaus zu prüfen haben, ob im konkreten Fall eine positive Fortführungsprognose erfolgen kann; dies dürfte aber bei gegebener Überschuldung in der Regel nicht der Fall sein, ein solches Unternehmen ist also nicht mehr kreditwürdig. Das ist gefährlich: Denn eine verzögerte, aber dennoch sich abzeichnende Insolvenz droht andere Unternehmen, die liefern oder leisten, in Mitleidenschaft zu ziehen, wenn der „kranke Marktteilteilnehmer“ seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann.

Richtig ist deshalb auf jeden Fall, den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit von der Verlängerung der Insolvenzantragsfrist auszunehmen – einen kranken Gaul bringt man nicht mehr zum rennen….

Quelle
BT-Drs. 19/22178

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