Das „Aus“ für das „einheitliche Vertragswerk“ – zumindest in Niedersachsen?

Immobilienkäufer lässt die Rechtskonstruktion des „einheitlichen Vertragswerks“ erschaudern, denn sie führt dazu, dass Grunderwerbsteuer nicht nur für den Kaufpreis des Grund und Bodens, sondern auch für die Baukosten des zu errichtenden Gebäudes entsteht. Daraus folgt eine Doppelbelastung, denn die Bauherren müssen einerseits Umsatzsteuer für die Baukosten des späteren Gebäudes und andererseits auch noch Grunderwerbsteuer auf die Herstellungskosten zahlen.

Die Doppelbelastung ist schon oft kritisiert worden, die Kritik aber vom BFH in schöner Regelmäßigkeit zurückgewiesen worden. Zuletzt gipfelte die Kritik im Jahre 2018 in einer „Schimpftirade“ des Niedersächsischen FG. Die Rechtsprechung des II. Senats des BFH verstoße gegen das Grunderwerbsteuergesetz, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das Verfahrensgrundrecht des Bürgers auf seinen gesetzlichen Richter und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsprechung sei gesetzes- und rechtswidrig (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 22.3.2018, 7 K 150/17).

Der Beschluss ist zwar „nur“ in einer Kostensache ergangen. Aber: Er ist rechtskräftig und damit unanfechtbar. Da der Rechtsstreit zudem in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, haben wir nun die seltsame Situation, dass es in Niedersachsen offenbar die Rechtskonstruktion des „einheitlichen Vertragswerks“ nicht mehr gibt. Damit scheint Niedersachsen – zumindest für kurze Zeit – eine bundesweite Sonderrolle einzunehmen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Finanzverwaltung das Ergebnis in anderen Fällen und schon gar nicht bundesweit hinnehmen wird. Wer aber das Glück hat, mit seiner Klage gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid beim 7. Senat des Niedersächsischen FG zu landen, kann sich möglicherweise auch in Zukunft darauf freuen, dass seine Baukosten von der Grunderwerbsteuer verschont bleiben.

Weitere Informationen:

Niedersächsisches Finanzgericht v. 22.03.2018 – 7 K 150/17

Lesen Sie hierzu in der NWB Datenbank:

Geißler, Grunderwerbsteuer, infoCenter EAAAB-14435
(für Abonnenten der jeweiligen NWB Pakete kostenfrei)

 

2 Gedanken zu “Das „Aus“ für das „einheitliche Vertragswerk“ – zumindest in Niedersachsen?

  1. Ohne es genau zu wissen, dürfte das Urteil noch aus der Zeit stammen als Dr. Michael Balke für den 7. Senat des niedersächsischen Finanzgerichts tätig war. Diesen Richter als rebellisch dürfte noch verhamlosend sein. Ob ein anderer Richter ähnlich entschieden hätte ist recht unsicher. Danach ist man vermutlich auch in Niedersachsen nicht vor dem “einheitlichen Vertragswerk” sicher.

  2. Vielen Dank für den Hinweis. Sie haben recht: Das Urteil stammt aus der Zeit von Herrn Dr. Balke, der sicherlich – für mich durchaus im positiven Sinne – ein Querdenker unter den Finanzrichtern war. Aber wie dem auch sei: Bemerkenswert ist, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

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