Datenimport unter ELSTER: Das Verklicken kann teuer werden

Wer seine Steuererklärung digital erstellt, zum Beispiel mittels ELSTER, beginnt wohl oft damit, dass er zunächst die Daten des Vorjahres einspielt. Wer hat schon Lust, alle Daten, die ja bereits im Vorjahr eingegeben wurden, neu einzutragen? Im Anschluss werden die Daten, soweit erforderlich, mit den Zahlen des aktuellen Jahres überschrieben. Dann noch ein Klick und – schwupps – ist die digitale Erklärung beim Finanzamt angekommen. Irgendwann kommt der Steuerbescheid. Wenn das Finanzamt keine Änderungen vorgenommen hat, entsprechen die Bescheiddaten den Eintragungen in der Erklärung. Was aber, wenn man eine Zahl des Vorjahres irrtümlich nicht mit dem aktuellen Wert überschrieben hat, dieser Fehler weder dem Steuerpflichtigen noch dem Finanzamt auffällt und der Bescheid unanfechtbar geworden ist? Und dieser Wert – zu allem Übel – auch noch dazu führt, dass man eine zu hohe Einkommensteuer entrichten muss?

Antwort: Pech gehabt. Ein Verklicken beim Import von steuerlichen Daten in das ELSTER-Portal ist kein nach § 173a AO korrigierbarer Schreibfehler. § 173a AO ist nicht bei sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten, die dem Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung unterlaufen sind, anwendbar (BFH-Urteil vom 18.7.2023, IX R 17/22).

Der vereinfacht dargestellte Sachverhalt

Die Kläger übermittelten ihre Einkommensteuererklärung über „MEIN ELSTER“.  Hierbei unterlief ihnen ein Fehler im Datentransfer. Anstelle der für das Streitjahr maßgeblichen Erklärungsdaten spielten die Kläger irrtümlich die Daten des Vorjahres in das Formular ein. Dadurch erklärten sie höhere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als sie tatsächlich hatten. Dem Finanzamt fiel der Irrtum der Kläger nicht auf. Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid legten die Steuerbürger keinen Einspruch ein. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragten sie die Aufhebung des geänderten Einkommensteuerbescheids. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und verwies auf die inzwischen eingetretene Bestandskraft. Einspruch, Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

Begründung

Gemäß § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Fehlerquelle für den inhaltlich unrichtigen Einkommensteuerbescheid war aber das Versehen der Kläger, beim Export der Steuererklärungsdaten in das Portal „MEIN ELSTER“ nicht den für das Streitjahr maßgeblichen Dateiordner, sondern denjenigen für das Vorjahr auszuwählen („anzuklicken“). Der Fehler ist also den Steuerpflichtigen und nicht dem Finanzamt unterlaufen. Zwar kann der Fehler eines Steuerbürgers dem Finanzamt zuzurechnen sein, wenn es sich um einen so genannten Übernahmefehler – wohlgemerkt des Finanzamts – handelt, das heißt, wenn die Behörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Im Streitfall war das Versehen aber nicht offensichtlich; ein Übernahmefehler des Finanzamts lag mithin nicht vor. Aus den übermittelten Erklärungsdaten war der Fehler nicht unmittelbar abzuleiten. Es hätte eines Abgleichs mit der Steuererklärung des Vorjahres bedurft.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 173a AO liegen ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat. Den Klägern ist jedoch kein Schreibfehler unterlaufen. Ihr Fehler lag darin, den falschen digitalen Ordner der Festplatte ihres Computers „angeklickt“ und damit unzutreffende – nicht das Streitjahr betreffende – Daten in das Portal „MEIN ELSTER“ exportiert zu haben. Dieser Fehler entspricht einer inhaltlich unzutreffenden Befüllung eines analogen Steuererklärungsformulars. In einem solchen Fall unterläuft dem Steuerpflichtigen kein Schreibfehler, da er genau das, was er schreibt, auch schreiben will und lediglich über die inhaltliche Richtigkeit seiner Erklärung irrt.

Denkanstoß

Schon zuvor hatte der BFH mit Beschluss vom 27.4.2022 (IX B 57/21) gleichermaßen entschieden, so dass die Rechtsprechung eindeutig ist. Der BFH hält sich an den Wortlaut des Gesetzes – was soll er auch anderes tun? Doch zugegebenermaßen finde ich es schon ungerecht, dass das Finanzamt offenbare Unrichtigkeiten (fast) jederzeit berichtigen kann, man es dem Steuerpflichtigen aber nicht zugesteht, dass er sich verklicken kann. Und besonders übersichtlich ist ELSTER ja nicht gerade.

Wer nun denkt, die Entscheidung könnte doch auch einmal zugunsten eines Steuerpflichtigen ausfallen, muss übrigens leider enttäuscht werden. Denn wenn die irrtümlich übertragenen Werte des Vorjahres zu einer zu niedrigen Steuer führen, greift die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO.

Ein Kommentar zu “Datenimport unter ELSTER: Das Verklicken kann teuer werden

  1. Mir ist leider nicht ganz klar, weshalb § 153 AO (ohne weitere Erläuterung) dazu führt, dass das Urteil nicht auch zugunsten der Steuerpflichtigen ausfallen kann. Schließlich begründet § 153 AO keine Änderungsbefugnis des Finanzamts zuungunsten der Steuerpflichtigen, sondern es muss eine Korrekturnorm einschlägig sein. Hier wirkt die Entscheidung dann zugunsten der Steuerpflichtigen, wenn §§ 129. 173a AO eben nicht greifen. Die Anzeige nach § 153 AO stellt auch keine Zustimmung zu einer Änderung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO dar, vgl. AEAO zu 172 Nr. 3. M. E. könnte § 173 AO einschlägig sein, wobei hier im Gegensatz zu § 129 AO auch die Vorjahresakte berücksichtigen wäre. Dass die Vorjahreserklärung übermittelt wurde, dürfte somit keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache darstellen. Man könnte argumentieren, dass die Information, dass die inhaltlich dem Vorjahr entsprechende Erklärung eben die irrtümlich nochmals übermittelte Vorjahreserklärung und nicht die korrekte Erklärung des aktuellen Jahres ist, eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache darstellt. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass es bei einer Einkommensteuererklärung mit Vermietung und Verpachtung zu keiner Änderung kommt? Dann wäre vermutlich auch die Fehlerhaftigkeit bereits bei Erlass des Bescheids bekannt.

    Die Schlussfolgerung, dass die Entscheidung wegen § 153 AO nicht zugunsten der Steuerpflichtigen wirkt, halte ich daher für nicht zwingend und arg verkürzt.

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