Der bevorzugte Nacherbe und die Schenkungsteuer

Werden Testamente verfasst, sind diese oftmals von folgenden Gedanken getragen:

  1. das Vermögen soll langfristig erhalten bleiben,
  2. es soll in der Familie bleiben,
  3. es soll gerecht verteilt werden und
  4. der länger lebende Ehegatte soll angemessen versorgt sein.

Den Wunsch, dabei möglichst wenig Erbschaftsteuern entstehen zu lassen, lasse ich bei der Aufzählung einmal außen vor. Jedenfalls sehen Testamente vielfach Vor- und Nacherbschaften vor, das heißt, es wird beispielsweise vereinbart, dass der überlebende Ehegatte zunächst Vorerbe wird und die Kinder bei dessen Versterben Nacherben werden. Unterschieden wird zwar noch zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft, doch letztlich ist beiden Fällen gemein, dass der länger lebende Ehegatte das Erbe zumindest der finanziellen Höhe nach erhalten muss.

Um es drastisch auszudrücken: Er soll das Erbe nicht verschleudern. Und er soll auch nicht eines der Kinder bevorzugen, indem er ihm Vermögenswerte überträgt, die das (Nach-)Erbe der anderen Kinder schmälern würden.

Doch wie ist die Praxis?

Der noch lebende Ehepartner möchte sehr wohl über Teile des Vermögens nach eigenem Ermessen verfügen – zur „Freude“ von Juristen und Steuerfachleuten. Immerhin hat ein Erbe nun einen Sieg vor dem BFH errungen. Ob das den Familienfrieden rettet, vermag ich nicht zu beurteilen. Ein hübsches Steuersümmchen spart er aber.

Der Sachverhalt in Kurzform

Die Eltern hatten ihre Söhne als Nacherben nach dem letztversterbenden Elternteil eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters schenkte die Mutter einem Sohn ein Grundstück aus dem Nachlassvermögen. Einer seiner Brüder machte nach dem Tod der Mutter deswegen gegen den Bedachten zivilrechtliche Herausgabeansprüche geltend. Aufgrund eines Vergleichs leistete der Grundstücksinhaber zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Zahlung.

Die Frage lautete nun: Ist für die spätere Ausgleichszahlung eine Steuerminderung zu gewähren? Das Finanzamt lehnte den Abzug ab, und zwar in etwa mit folgender Begründung: Nach dem Gesetzeswortlaut (§§ 2113, 2287 BGB) hätte der geschenkte Gegenstand wegen eines Rückforderungsrechts zurückgegeben werden müssen, was im Streitfall nicht geschehen sei. Dass stattdessen eine Zahlung erfolgte, sei ohne Belang.

Doch der BFH sieht die Sache anders

Nach seiner Auffassung handelt es sich bei den Zahlungen zur Abwendung von Herausgabeansprüchen von Erben oder Nacherben um Kosten, die dazu dienen, das Geschenkte zu sichern. Sie können daher steuermindernd rückwirkend berücksichtigt werden. Ein bereits ergangener Schenkungsteuerbescheid ist entsprechend zu ändern (BFH 6.5.2021, II R 24/19).

Übrigens, nur am Rande: Die Zivilrechtsstreiten der Brüder untereinander begannen offenbar mit Übertragung des Grundstücks im Jahre 2003. Das BFH-Urteil datiert aus 2021. Der von der Mutter bedachte Sohn durfte sich also insgesamt 18 Jahre lang zivil- und steuerrechtlich streiten.

Weitere Informationen:

NWB Online-Nachricht Schenkungsteuer | Abfindungszahlung wegen beeinträchtigender Schenkung
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