Einkommensteuer: Was passiert, wenn der Arbeitgeber das „Knöllchen“ zahlt?

Es läuft uns jeden Tag über den Weg, das „Knöllchen“: Ob Parkverstoß oder zu schnell durch die Tempo-30-Zone, schnell winkt ein Verwarnungsgeld. Aber was passiert steuerlich, wenn der Arbeitgeber das Knöllchen bezahlt?

Jetzt hat der BFH eine für die Praxis wichtige Klarstellung getroffen.

Hintergrund und Sachverhalt

Verkehrsverstöße im ruhenden und fließenden Verkehr können als Ordnungswidrigkeit nach dem OWiG mit Verwarnungsgeld, bei schwereren Verstößen auch mit Bußgeld geahndet werden. Im Streitfall betrieb das klagende Unternehmen einen Paketzustelldienst. Sofern Ausnahmegenehmigungen zum Be- und Entladen nicht erteilt waren, wurde zur Gewährleistung eines reibungslosen Betriebsablaufs im Interesse der Kunden vom Unternehmen hingenommen, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig anhalten. Das Unternehmen trug dann die dem Fahrer gegenüber festgesetzten Verwarnungsgelder gegenüber festgesetzten Verwarnungsgeldern.

Das beklagte FA behandelte die Übernahme der Verwarnungsgelder – einer geänderten Rechtsprechung des BFH folgend – als lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn der Fahrer, obwohl die Verwarnungsgelder sind jedoch unmittelbar gegenüber dem Unternehmen als Halterin der Fahrzeuge festgesetzt worden waren.

Das hat der BFH mit seiner Entscheidung vom 13.8.2020 – VI R 1/17) jetzt korrigiert.

Was hat der BFH entschieden?

Der BFH hat jetzt klargestellt: Der Arbeitgeber als Halter eines Kfz leistet die Zahlung eines Verwarnungsgeldes wegen einer ihm gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG erteilten Verwarnung auf eine eigene Schuld. Die Zahlung führt daher nicht zu Arbeitslohn des die Ordnungswidrigkeit begehenden Arbeitnehmers, bei diesem entsteht deshalb auch keine Lohnsteuerpflicht.

Das war im Streitfall der kleine, aber feine Unterschied zu dem vom BFH früher entschiedenen Fällen (BFH v. 7.7.2004 – VI R 29/00 und v. 7.7.2004 – VI R 29/00; v. 14.11.2013 – VI R 36/12):  Denn dort wurde die  Zahlung von Verwarnungsgeldern durch den Arbeitgeber übernommen, die von den bei ihr beschäftigten Fahrern wegen Verletzungen des Halteverbots erhoben worden waren. Ob es sich um Ordnungswidrigkeiten im absoluten Bagatellbereich handelt, spielt nach dem BFH für die Beurteilung, ob Arbeitslohn vorliegt, keine Rolle. Es kommt auch nicht darauf an, ob die übernommene Zahlung der Verwarnungsgelder im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt (so noch BFH v. 7.7.2004 – VI R 29/00).

Bedeutung und Auswirkung auf die Praxis

Das neue BFH-Urteil hat weit über den entschiedenen Fall hinaus praktische Bedeutung. Üblicherweise hat zwar der jeweilige Fahrer festgesetzte Verwarnungs- oder Bußgelder zu tragen, weil er der eigentliche Adressat der Sanktion ist. Allerdings ist inzwischen weit verbreitet, dass durch beruflich veranlasste Tätigkeit anfallende Verwarnungs- oder Bußgelder vom Arbeitgeber übernommen wird, der das Fehlverhalten seiner Arbeitnehmer im Straßenverkehr „billigend in Kauf nimmt“. Das ist nicht nur im Paketzustelldienst, sondern zum Beispiel auch im Speditionsgewerbe (z. B. Verletzung der Lenk- und Ruhezeiten) oder Taxigewerbe verbreitete Praxis.

Wie das BFH-Urteil belegt, muss für die Steuerpflicht differenziert werden:

  • Der Erlass einer Forderung (397 Abs. 1 BGB), die dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer zusteht, kann Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStGdarstellen (BFH v. 27.3.1992- VI R 145/89 und BFH v. 24.5.2007- VI R 73/05). Einen geldwerten Vorteil und damit Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stellt es auch dar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine realisierbare Forderung erlässt (BFH v. 27.3.1992 – VI R 145/89;  BFH v. 24.5.2007 – VI R 73/05).
  • Anders ist es, wenn nicht der Fahrer, sondern der Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Fahrzeughalter direkt in Anspruch genommen wird. In diesem Fall entsteht mit der Zahlung beim Fahrer kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn, den der Halter auf eine eigene Verbindlichkeit zahlt, die in der Halterhaftung begründet ist (§ 25a StVG). In diesem Fall kann aber der Arbeitgeber das gezahlte Verwarnungs- oder Bußgeld nicht als Betriebsausgabe steuermindernd geltend machen: Denn nach § 4 Abs.5 S. 1 Nr. 8 EStG dürfen insbesondere Verwarnungsgelder, die von einer Behörde im Geltungsbereich des EStG festgesetzt werden, den Gewinn nicht mindern.

Allerdings ist zu beachten:

Die Halterhaftung ist in Deutschland bislang auf Verkehrsverstöße im ruhenden Verkehr beschränkt (§ 25a StVG). Im fließenden Verkehr kann bei Verkehrsverstößen rechtlich also bislang eigentlich nur der Fahrer in Anspruch genommen werden. Die Verkehrsminister der Länder wollten dies zwar bereits im Frühjahr 2020 ändern: „Die Verkehrsministerkonferenz sieht die Einführung einer Halterhaftung bei Verstößen im fließenden Verkehr als erforderlich an, um Verkehrsverstöße effektiv zu ahnden. Die Verkehrsministerkonferenz fordert daher die Bundesregierung auf, die Einführung einer Halterhaftung im fließenden Verkehr zu prüfen. (…) Die Verkehrsministerkonferenz bittet die Bundesregierung, das erforderliche Gesetzgebungsverfahren noch im laufenden Jahr 2020 einzuleiten.“

Aus diesem Vorhaben ist aber bislang nichts geworden.

Weitere Informationen:

 

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