Erstattungszinsen – Vorläufigkeit war nicht rechtens

Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht eine Steuerverzinsung mit 6 Prozent pro Jahr für verfassungswidrig erklärt, wenn auch erst ab dem 1. Januar 2014 mit einer weiteren „Nichtbeanstandung“ bis zum 31.12.2018 und einer noch längeren „Reaktionsfrist“ für den Gesetzgeber bis zum 31. Juli 2022 (BVerfG 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich reagiert, so dass das Thema eigentlich nicht mehr aktuell ist.

Ich möchte aber dennoch kurz auf eine Entscheidung des FG Hamburg hinweisen, die sich mit der Frage befasst, ob die seinerzeitige Festsetzung von Erstattungszinsen überhaupt vorläufig ergehen durfte. Die Entscheidung könnte für ähnliche Fälle, die sicherlich früher oder später kommen werden, erhebliche Bedeutung haben.

Das Urteil des FG Hamburg lautet: Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied. Der Kläger ist bereits durch die sich aus der Vorläufigkeit ergebende Rechtsunsicherheit beschwert (Urteil vom 14.4.2022, 1 K 126/20).

Bezüglich der Vorläufigkeit der Zinsfestsetzungen (von Erstattungszinsen) gab es viel Kritik, zumal ganz überwiegend die Auffassung vertreten wurde, dass eine Änderung aufgrund der Vertrauensschutz-Vorschrift des § 176 AO zuungunsten der Steuerzahler nicht hätte erfolgen können. Die Finanzverwaltung hat sich aber – auf den wohl nur wenig bekannten – § 31 Abs. 2 BVerfGG berufen. Danach hat eine  Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in bestimmten Fällen Gesetzeskraft.

Doch die Hamburger Richter lehnen eine Anwendung dieser Vorschrift ab:

„Das Finanzamt durfte auch nicht darauf abstellen, dass das Bundesverfassungsgericht in dem Tenor seines Beschlusses und damit mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) hätte feststellen können, dass § 176 Abs. 1 AO einer Rückforderung von Erstattungszinsen nicht entgegensteht. Ebenso wenig kann darauf abgestellt werden, dass der Gesetzgeber die Rückforderung geleisteter Erstattungszinsen durch Aufhebung oder Ausnahmeregelung von § 176 AO regeln könnte. Abgesehen davon, dass es nicht Sinn und Zweck von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO ist, der Staatskasse Vorteile zu sichern und dem Finanzamt die Möglichkeit zu eröffnen, eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, ist für die Ermessensausübung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung als letzter Verwaltungsentscheidung maßgeblich …“.

Es wird spannend sein, ob die Finanzverwaltung das Urteil hinnimmt, denn die Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (BFH-Az. VIII R 12/22).


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