Erweckt die Corona-Krise die Vermögensbesteuerung aus ihrem Dornröschenschlaf?

Die Corona-Krise ist mittlerweile in der steuerpolitischen Diskussion angekommen. Um die Corona-Folgen zu finanzieren fordern mittlerweile Vertreter mehrerer Parteien die (Wieder-) Einführung einer Vermögensabgabe bzw. Vermögensteuer. Dies überrascht wenig, so entbrennt die Diskussion um die Wiedereinführung einer Vermögensteuer (Vermögensabgabe) in regelmäßigen Zeitabständen. Zwar darf die Vermögensteuer – bedingt durch ein Urteil des BVerfG – seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben werden, trotzdem gab es in den letzten Jahren immer wieder Anläufe die Vermögenbesteuerung aus ihrem „Dornröschenschlaf“ (vgl. Oechsle, StuW 2004, S. 381) zu wecken. Bisher hat jedoch kein Vorstoß Gesetzeskraft erreicht.

Zuletzt wurde die Wiedereinführung einer Vermögensteuer im Frühjahr 2012 von einigen SPD geführten Bundesländern unternommen, die die Wiedereinführung einer allgemeinen Vermögensabgabe im damaligen Bundestagswahlkampf einbrachten (Gesetzesentwurf zur Wiederbelebung der Vermögenssteuer). Der damalige Vorschlag orientierte sich an der bisherigen Vermögensteuer, sah eine Steuerpflicht für natürliche und juristische Personen, einen Steuersatz von 1% und Freibeträge von 2 Mio. Euro (bzw. 4 Mio. Euro bei Ehegatten) vor. Alternativ wurde im Herbst 2012 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe vorgelegt. Hier war eine Steuerpflicht für natürliche Personen, ein einmaliger Steuersatz von 15% (aufgeteilt in 10 Jahresbeträgen), ein abschmelzender Freibetrag i.H.v. 1 Mio. Euro (zzgl. 0,25 Mio. Euro pro Kind) und die Freistellung von Unternehmensvermögen bis 5 Mio. Euro beinhaltet. Durch die Bildung einer großen Koalition wurden die Pläne der SPD nicht weiterverfolgt. Auch die Fraktion DIE LINKE thematisiert seit Jahren die Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Unterdessen hat keine Initiative die Vermögensbesteuerung aus dem „Dornröschenschlaf“ geweckt.

Die Erweckung Dornröschens im grimmschen Märchen wird durch einen edlen Ritter vollbracht. Erweckt nun die Corona-Krise die Vermögensteuer aus ihrem „Dornröschenschlaf“?

Aus ökonomischer Sicht sprechen mehrere Gründe gegen ein Wachküssen der Vermögenbesteuerung. Die Kritik an Substanzsteuern, im Vergleich zu Ertragsteuern, wird seit vielen Jahren diskutiert. Durch den substanzzehrenden Charakter einer Vermögensbesteuerung würde diese ökonomisch nachteilig wirken (Erhebung der Vermögenssteuer in Verlustzeiten, Substanzverlust durch Erhebung der Steuer) oder müsste mit Ausnahmen arbeiten (Freistellung der Erhebung der Vermögenssteuer in Verlustzeiten). Außerdem könnte eine Steuererhebung in Krisenzeiten krisenverschärfend wirken. Die Freistellung in Krisenzeiten würde wiederum zu Verzerrungen führen und wäre im Hinblick auf die Zielsetzung der Vermögensteuer kritikwürdig.

Problematisch ist m.E., dass Branchen mit einem besonders hohen Vermögenstock besonders stark von einer Vermögensteuer tangiert werden. Dieser Effekt ließe sich zwar durch eine Anrechnung der Vermögensteuer auf die Ertragsteuern abmildern, das ohnehin komplexe Steuerrecht würde allerdings eine weitere Verästelung erhalten. Das Klärung dieser Verästelung scheint unterdessen unumgänglich. Immerhin dient Betriebsvermögen, welches mit einer Vermögensbesteuerung belastet wird, der Erzielung von Einnahmen, die der Ertragsbesteuerung unterliegen. Will man eine Mehrfachbesteuerung vermeiden, so muss die Anrechnung von Vermögensteuer auf die Ertragsteuern auf der einen Seite und die Anrechnung der Vermögensteuer auf Grundsteuer und Erbschafts- und Schenkungsteuer auf der anderen Seite in den Blick genommen und gelöst werden. Eine einfache Regelung erscheint nicht leicht. Aufgrund der unterschiedlichen Ertragshoheiten der genannten Steuerarten dürfte das gegenseitige Anrechnungssystem von den steuervereinnahmenden Stellen (Bund, Land und Gemeinden) jeweils unterschiedlich betrachtet werden. Abermals eine Hürde, die es zu klären gilt.

Zuletzt bleibt das Wertermittlungsproblem der Vermögensteuer. Auch dieser Punkt lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Grundsteuer muss aktuell reformiert werden, da die Wertermittlung verfassungswidrig ist. Die Erbschaftsteuer wurde in den letzten Jahrzenten vom BVerfG drei Mal gekippt (1995, 2006 und 2014), u.a. weil die Wertermittlung verfassungswidrig war. Nach deren Reform wurden die Verschonungsregeln vom Verfassungsgericht kassiert. Ein Erfolgsmodell der Substanzsteuern sieht sicherlich anders aus.

Schlussendlich wäre eine Vermögensteuer ökonomisch nur vertretbar, wenn diese Besteuerungsausnahmen und Stundungsregelungen vorsieht, die wiederum einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Genau hierin liegt die Krux der Vermögensbesteuerung. Die 2012er Entwürfe sahen bereits Besteuerungsausnahmen und Stundungsregeln vor. Vermutlich wird man die – durchaus nachvollziehbaren – Argumente einer Vermögensteuer (Finanzierung der Corona-Krise und die Herstellung von Steuergerechtigkeit) durch die Einführung der Steuer sogar noch verschärfen oder nur mit einem engmaschigen und komplexen Regel/Ausnahme Gesetz herstellen können.

Es bleibt ein letztes Problem: Der Koalitionsvertrag der großen Koalition sieht die Einführung der Vermögensteuer nicht vor. Wird auch hier Corona eine Änderung herstellen? Die Erweckung der Vermögensteuer aus dem Dornröschenschlaf wäre eine verfassungsrechtlich höchst anspruchsvolle und ökonomisch umstrittene Aufgabe.

Von einer Umsetzung in dieser Legislaturperiode ist daher wohl kaum auszugehen.


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