Instandhaltungsrücklage: Grunderwerbsteuer versus Einkommensteuer

Jahrelang galt der Grundsatz, dass beim Kauf einer Eigentumswohnung das „miterworbene“ Guthaben aus einer Instandhaltungsrücklage, auch als Instandhaltungsrückstellung oder Erhaltungsrücklage bezeichnet, nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Maßgebend war unter anderem das BFH-Urteil vom 9.10.1991 – II R 20/89 (BStBl 1992 II S. 152). Im Jahre 2020 hat der BFH allerdings mit diesem Grundsatz gebrochen. Danach ist die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Erwerb von Teileigentum nicht um ein übernommenes Guthaben aus einer Instandhaltungsrücklage zu mindern (BFH 16.9.2020, II R 49/17).

Auch wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Teil des Kaufpreises „für die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens“ geleistet wird, und der Instandhaltungsrücklage im Kaufvertrag folglich ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, bleibt es dabei, dass der vereinbarte Kaufpreis der Grunderwerbsteuer unterliegt. Denn ein rechtsgeschäftlicher Erwerb der Position „Instandhaltungsrücklage“ ist bereits zivilrechtlich nicht möglich.Aufgrund dieser (Neu-)Regelung bei der Grunderwerbsteuer stellte sich die Frage, ob auch bei der Einkommensteuer Änderungen zu berücksichtigen sind.

Die OFD Frankfurt/Main nimmt dazu mit Verfügung vom 9.11.2022 (S 2211 A – 12 – St 214) unter anderem wie folgt Stellung:

Der bei Erwerb einer Eigentumswohnung im Kaufpreis enthaltene Anteil für das in der Erhaltungsrücklage angesammelte Guthaben gehört nicht zu den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung. Zwar hat der BFH mit oben genanntem Urteil entschieden, dass der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist. Dieses Urteil ändert allerdings nicht die Behandlung der erworbenen anteiligen Erhaltungsrücklage im ertragsteuerlichen Sinn.

Folge: Wird im Kaufvertrag nur ein einheitlicher Kaufpreis ausgewiesen, ist dieser für ertragsteuerliche Zwecke entsprechend aufzuteilen. Beim Erwerber ist sodann der um die erworbene anteilige Erhaltungsrücklage für die Eigentumswohnung gekürzte Kaufpreis in die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung einzubeziehen.

Beim Veräußerer ist der auf den Erwerber übertragene Anteil an der Erhaltungsrücklage im Zeitpunkt der Veräußerung nicht als Werbungskosten in Abzug zu bringen, da er insoweit seine Rechtsposition entgeltlich auf den Erwerber übertragen hat. Denn der Veräußerer erhält die zugeführten und noch nicht verbrauchten Rücklagenbeträge über den Kaufpreis vom Erwerber zurück.

Denkanstoß:

Mich hatte das oben erwähnte BFH-Urteil vom 16.9.2020 nicht überzeugt. Wenn man ihm aber folgt, so verstehe ich nicht, warum bei der Einkommensteuer etwas anderes gelten soll als bei der Grunderwerbsteuer. Schließlich führt der BFH aus: „Vor diesem Hintergrund gehört auch das Entgelt, das der Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtung für die anteilige Instandhaltungsrücklage aufwendet, zu denjenigen Leistungen, die er … gewährt, um das Grundstück zu erwerben.“ Allerdings sollte man den tieferen Sinn der Auslegung des „Grundstücksbegriffs“ wohl besser nicht hinterfragen. Man wird keine logische Antwort auf die Frage finden, warum der Begriff des Grundstücks ertragsteuerlich, bewertungsrechtlich, umsatzsteuerrechtlich und grunderwerbsteuerlich jeweils anders ausgelegt wird.

 

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