Kreditvergabe à la Wirecard: Früher Ölhändler, heute Zwischenfinanzierer

Selbst Bedienung von Krediten beeinträchtigt Kreditvergabe nicht

Kredite in dreistelliger Millionenhöhe. Voraussetzungen? Eigentlich keine. Fristgerechte Begleichung der Kreditrate, Informationen über den Einsatz des Kapitals – bei Wirecard schien alles möglich zu sein. Überraschend? Keinesfalls. Denn irgendwohin muss das Geld, das Wirecard von Banken eingesammelt hat, ja geflossen sein. An die Anleger zumindest nicht. Versprechungen gab es viele, nur hat sich diese nicht in der Zahlung einer hohen Dividende widergespiegelt.

Im aktuellen Prozess in München kommen immer weitere Details ans Licht. Eine der neueren Erkenntnisse ist die Kreditvergabe an die Partnerfirma Ocap in Singapur. Knapp vier Jahre nach dem Zusammenbruch Wirecards wird es auch mal Zeit, dass das Thema Haftung für Vorstand und Aufsichtsrat auf die Agenda kommt. Denn diese tragen hier die Verantwortung. Jeder kleine Kreditnehmer muss sich ausziehen und alles offenlegen. Bei Wirecard schien selbst die Verweigerung der Wirecard Bank der Kreditvergabe an Ocap nicht ausgereicht haben, um den Vorstand am Abfluss einer dreistelligen Millionensumme für eine kreditunwürdige Gesellschaft im Ausland zu hindern. Und dass bei einer doch eher ungewöhnlichen Änderung des Geschäftsmodells.

Hintergrund zu Ocap

Das Geschäftsmodell von Ocap? Der Großhandel von Ölprodukten und Dienstleistungen für Schiffe. Zumindest bis 2018. Danach widmete sich Ocap plötzlich der Zwischenfinanzierung für Onlinehändler. Diese ungewöhnliche Änderung des Geschäftsmodells fällt zusammen mit der Übernahme von Ocap durch Carlos H., einem ehemaligen Mitarbeiter von Marsalek. Wer war das nochmal? Stimmt. Der bisher einzige Vorstand eines ehemaligen DAX-Konzerns, der bereits seit Juni 2020 auf der Flucht ist.

Für das neue Geschäftsmodell erhielt Ocap bereits Ende 2018 einen Kredit in Höhe von 100 Mio. € von Wirecard, für die sich Markus Braun sogar persönlich einsetzte. Ob das Geld jemals für den angegebenen Zweck genutzt wurde, ist unklar. Doch die Nachricht von Braun zeigte Wirkung: Das Geld wurde blitzschnell überwiesen.

Ocap erhielt Ende 2019 und Ende März 2020 erneut weitere Gelder, ohne jedoch laufende Kredite zu bedienen. Auch auf die Zahlung der Zinsen wartete Wirecard vergeblich.

Eine kurze Einordnung

Man muss keine Fachexpertise in Finanzthemen haben: Aber das so etwas höllisch stinkt, dafür reicht allein der gesunde Menschenverstand. Doch für den Vorstand von Wirecard reichte eine laufende Sonderprüfung ab Herbst 2019 nicht einmal aus, um wenigstens den Anschein der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen an Kreditnehmer zu geben. Als ob ein internes Kontrollsystem bei einem DAX-Konzern so überflüssig wäre, wie in der Wüste Heizungen zu vertreiben.

Sicherlich gab es immer wieder Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell doch sehr deutlich geändert haben. Nokia hatte vor der Handyzeit auch einmal Gummistiefel verkauft. Nicht nur Nokia war mit den Handys irgendwann auf dem absteigenden Ast, auch Ocap hat 2020 Insolvenz angemeldet. Ganz abgesehen davon: Um vom Großhändler für Ölprodukte zum Zwischenfinanzierer werden, gibt es in Singapur sicherlich ein paar Hürden. Und sei es nur, dass ein Zwischenfinanzierer anderen gesetzlichen Regelungen unterliegt. So zumindest meine Vorstellung von dem asiatischen Stadtstaat.

Fazit

Wie bisher immer im Fall Wirecard: Es gibt nur Opfer. Weder der Aufsichtsrat noch einer der Vorstände hat jemand zugegeben, einen Fehler gemacht zu haben. Braun lässt sich vermutlich lieber als unfähigster Vorstand eines DAX-Konzerns betiteln als jemals einen Fehler zuzugeben. Doch es sind doch gerade auch Fehler, die Führungskräfte weiterbringen.

Weitere Informationen
Ex-Wirecard-Manager sollen 140 Millionen Euro zahlen (handelsblatt.com, abgerufen am 29.02.2024)

 

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