Lehren aus Wirecard (11): Ernste staatliche Bilanzkontrolle notwendig, aber ohne Dr. Ernst

Stellungnahme zur Veröffentlichung des Deutschen Aktieninstituts vom 2. Oktober 2020

Der Titel mag etwas verwirren: Die Bilanzkontrolle soll von staatlicher Seite erfolgen und sich einen Ruf erarbeiten, streng zu sein. Die Mitarbeit von Herrn Ernst ist aufgrund von Interessenskonflikten aber derzeit nicht möglich. Doch dazu gleich noch mehr.

Das Deutsche Aktieninstituts empfiehlt in seinem Schreiben vom 2. Oktober 2020, die Kündigung des Vertrags mit der DPR rückgängig zu machen. Schließlich ist die Suche nach Personal nicht einfach und entsprechendes Know-how geht verloren. Was sie nicht erwähnt: Wir sprechen hier von der Expertise von weniger als zwanzig Mitarbeitern.

Auch die Zusammenarbeit des Präsidenten in gleichzeitiger Funktion als Prüfungsausschussvorsitzender geht aus dem Positionspapier geht nicht hervor. Denn schließlich sollte künftig auch der Aufsichtsrat mit einer Bilanzpolizei zusammenarbeiten. Bisher muss der Vorstand diesen nämlich weder über eine Prüfung informieren noch mit einbeziehen.

So kann es nicht weitergehen mit der DPR

Wie kann es sein, dass der Präsident der DPR gleichzeitig Prüfungsausschussvorsitzender mehrerer großer Unternehmen wie beispielsweise bei TUI, Vonovia und Metro ist? Als ich diese Aussage vor einigen Monaten selbst verifiziert habe, bin ich erschrocken: Wie soll es dann möglich sein, in so einem Fall Interessenkonflikte zu vermeiden?

Wir dürfen nicht vergessen: Die DPR wurde 2005 genau dazu gegründet, einen Bilanzskandal wie bei Wirecard zu verhindern. Wie gut wies funktioniert hat, zeigt das Ausmaß des Bilanzskandals: Denn er stellt nicht nur Flowtex, sondern vor allem auch Enron in den Schatten. Es gibt nur wenige Verstöße, die sich bei Wirecard nicht finden lassen. Denn das Fälschen von Bilanzen und Geldwäsche ist nur einer von vielen Vorwürfen, die im Raum stehen.

Es könnte uns nicht schaden, zu schauen, wie dies in anderen Ländern gehandhabt wird: Ein zweistufiges Enforcement mit Bafin und DPR gibt es in anderen europäischen Ländern nicht. Sicherlich gehen mit dem Ende der DPR Kompetenzen verloren: Aber es spricht grundsätzlich nichts dagegen, den DPR-Mitarbeitern ein Angebot für die Mitarbeit bei der Bilanzkontrolle der DPR zu machen. Interessenskonflikte wie beim Präsidenten Ernst dürfte es keine geben.

Also Schluss mit dem Kompetenz-Wirrwarr: Eine staatliche Behörde, die die Bilanzkontrolle ernst nimmt – und eben nicht Herrn Dr. Ernst dazu nimmt. Zumindest nicht in seiner derzeitigen Doppelfunktion als Präsident der DPR und Prüfungsausschussvorsitzendem. Wir brauchen jemanden, der sich zuständig fühlt und keine Hin- und Her-Schieberei von Verantwortungen sowie Zuständigkeiten.

Pflicht zur Berichterstattung bei Fehlerfeststellungen

Die DPR berichtet bisher über Fehlerfeststellungen im Bundesanzeiger. Dies führt kaum zu Aufmerksamkeit. Seit mehr als zwei Jahren schreibe ich regelmäßig auf meinem FINANCE-Blog „Abgeschminkt“ über Fehlerfeststellungen, um diese auch für Nicht-Bilanzierungsexperten verständlich zu machen. Das stößt sicherlich nicht unbedingt auf Gegenliebe. Allerdings stellt sich die Frage: Welchen Nutzen hat die Veröffentlichung der Fehlerfeststellungen, wenn sie die breite Öffentlichkeit und damit auch der Kleinanleger nicht verstehen kann aufgrund der Komplexität? Keinen.

Daher sollten auch künftig die Fehlerfeststellungen nach einer Bilanzprüfung nicht nur veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger kann gerne so bleiben wie dies bisher der Fall ist. Es müsste nur auch eine zusätzliche Veröffentlichung in einer für Laien verständlichen Sprache auf der Website der BaFin geben. Das wäre auch ein erster Schritt, wie der Staat die Bildung im Bereich Finanzen seiner Bürger fördern kann.

 

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