„Mietendeckel“ auf dem verfassungsgerichtlichen Prüfstand!

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat im Juli 2020 klargestellt, dass die einzelnen Bundesländer keine Gesetzgebungskompetenz für Beschränkungen von Mietforderungen haben. Einen „Mietendeckel“ auf dem freien Wohnungsmarkt wird es deshalb in Bayern nicht geben.

Hintergrund

Durch die in §§ 556d ff. BGB enthaltenen Regelungen zur Miethöhe sowohl bei Mietbeginn (sog. Mietpreisbremse) als auch während eines laufenden Mietverhältnisses (sog. Kappungsgrenze) hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht erschöpfend Gebrauch gemacht. Für die Landesgesetzgeber ergeben sich auch aus den in § 556d Abs. 2 und § 558 Abs. 3 BGB vorgesehenen Ermächtigungen der Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen keine Abweichungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Festlegung der zulässigen Miethöhe. Auf die Zuständigkeit der Länder für Bereiche des Wohnungswesens (Art. 70 GG) können abweichende Regelungen zur Verschärfung der geltenden Bestimmungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze nicht gestützt werden.

Die Regelungen des Bundes zur Miethöhe gemäß §§ 556d ff. BGB haben nach Art. 72 Abs. 1 GG abschließenden Charakter. Die Konsequenz: Den Landesgesetzgebern ist der Erlass von mietpreisrechtlichen Vorschriften für Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten wird, verwehrt.

Worum ging es konkret im Streitfall?

Gegenstand des Verfahrens vor dem BayVerfGH war die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens zur Begrenzung der Miethöhe in 162 bayerischen Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt gegeben sind. Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens enthielt ein weitgehendes, zunächst auf sechs Jahre beschränktes Verbot, in laufenden Wohnungsmietverhältnissen die Miete zu erhöhen. Ausnahmen waren nur vorgesehen, wenn die erhöhte Miete den Betrag von 80 % der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht übersteigt oder wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Bei der Neuvermietung einer Wohnung soll es – von Neubauwohnungen abgesehen – verboten sein, eine Miete zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.

Wie hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden?

Der BayVerfGH hat das Volksbegehren nicht zugelassen, obwohl drei Verfassungsrichter mit einem Sondervotum anderer Ansicht waren: Der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf ist mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar, da dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Bereits vorhandene bundesgesetzliche Normen versperren die Möglichkeit landesgesetzlicher Regelungen – jedenfalls in Bayern.

Woraus ergibt sich das?

Die speziell für das Mietpreisrecht einschlägigen Regelungen sind in §§ 556d ff. BGB enthalten. Dort sind die Maßgaben für die zulässige Gestaltung der Mietpreise von Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten wird, sowohl mit Blick auf Neuvermietungen als auch hinsichtlich möglicher Erhöhungen im Rahmen laufender Mietverhältnisse geregelt.

Die Voraussetzungen, unter denen die Vereinbarung der Miethöhe bei Abschluss eines neuen Mietvertrags Beschränkungen unterliegt, und die Maßgaben für Mieterhöhungen in Bestandsmietverhältnissen sind – von der Bestimmung der Anwendungsgebiete für die Geltung der Mietpreisbremse und der abgesenkten Kappungsgrenze durch Rechtsverordnung der Landesregierung gemäß § 556d Abs. 2 und § 558 Abs. 3 BGB abgesehen – im BGB selbst ausdrücklich und detailliert geregelt.

Der BayVerfGH hat jetzt klargestellt:

Im Hinblick auf den Bereich des freien Wohnungsmarktes ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber Abweichungsmöglichkeiten der Länder für eine Regulierung der Mietpreishöhe zulassen wollte. Für den abschließenden Regelungswillen des Bundesgesetzgebers spricht auch, dass dieser sein Konzept wiederholt ergänzt und fortentwickelt hat. So wurde beispielsweise zum 1.1. 2020 der Zeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1 S. 1 BGB) von vier auf sechs Jahre verlängert (sog. Mietpreisbremse). Weder der Konzeption der Regelungen noch ihrer Entstehungsgeschichte lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber den Ländern darüber hinaus weitere Bereiche zur Normierung überlassen und diesen insbesondere die Möglichkeit zu Abweichungen von den im Hinblick auf die Miethöhe im BGB enthaltenen ausdifferenzierten Bestimmungen eröffnen wollte.

Was bedeutet das für die Praxis?

Das Urteil des BayVerfGH hat weitreichende Bedeutung über Bayern hinaus. Denn bereits am 23.2.2020 ist das als „Berliner Mietendeckel“ bekannt gewordene Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) in Kraft getreten, das bereits im Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten war. Das Berliner Landgericht (Beschluss v. 12.3.2020, 67 S 274/19) hatte hiergegen Bedenken erhoben und die Gesetzgebungskompetenz bezweifelt. Gegen das Gesetz sind inzwischen mehrere Verfassungsbeschwerden beim BVerfG, seit Anfang Mai auf Initiative des Bundetages auch eine abstrakte Normenkonkontrolle (Art. 93 Abs.1 Nr.2 GG) anhängig (BVerfG 2 BVF 1/20).

Vor diesem Hintergrund ist eine zügige Entscheidung des BVerfG wünschenswert, um Klarheit über die bundesweit unterschiedlich beantwortete Frage zu erhalten, ob eine Ländergesetzgebungskompetenz für Mietendeckel in den Ländern neben den Regelungen des BGB besteht oder nicht. Ein Machtwort des höchsten deutschen Gerichts wäre als richtungsweisend für den Rechtsfrieden in einer wichtigen Frage des privaten Wohnungsmarktes in Deutschland.

Quellen
Pressemitteilung BayVerfGH v. 16.7.2020

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