Mobilitätsprämie für Geringverdiener: Negativsteuer im deutschen Einkommensteuerrecht?

Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“ vom 30.12.2019 wurde unter anderem eine sog. Mobilitätsprämie für geringverdienende Fernpendler im Einkommensteuerrecht etabliert, welche ab dem 01.01.2021 erstmalig zur Anwendung kommt. Sie könnte zum Indikator für ein „Umdenken“ im deutschen Steuerrecht werden.

Hintergrund

Für Steuerpflichtige, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags (§ 32a EStG; doppelter Grundfreibetrag bei Zusammenveranlagung) liegen und keine Einkommensteuer zahlen, wird – alternativ zu einer Berücksichtigung der ab 01.01.2021 erhöhten Entfernungspauschalen – eine sog. Mobilitätsprämie eingeführt. Durch sie sollen die erhöhten Mobilitätsaufwendungen von geringverdienenden Fernpendlern aufgefangen werden. Die Prämie beträgt 14 % der erhöhten Entfernungspauschalen von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer. Dies entspricht dem derzeitigen Eingangssteuersatz im Einkommensteuertarif. Bei Arbeitnehmern gilt dies jedoch nur, soweit durch die erhöhten Entfernungspauschalen ab dem 21. Entfernungskilometer zusammen mit den übrigen Werbungskosten (aus nichtselbständiger Arbeit) der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 Euro überschritten wird.

Durch die Mobilitätsprämie sollen vor allem diejenigen Steuerpflichtigen entlastet werden, bei denen ein höherer Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug zu keiner entsprechenden steuerlichen Entlastung führt. Es werden dabei die vollen 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer (bzw. 38 Cent ab den VZ 2024) in die Bemessungsgrundlage einbezogen und nicht nur der beschlossene Erhöhungsbetrag von 5 Cent bzw. 8 Cent.

Ein Anspruch entsteht gem. § 103 EStG mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruchsberechtigte die erste Tätigkeitsstätte aufgesucht oder Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung durchgeführt hat. Erst danach wird die Prämie festgesetzt und ausgezahlt (§ 105 EStG). Wichtig ist, dass es sich um ein Antragswahlrecht (§ 104 EStG) handelt. Der Anspruchsberechtigte hat den Antrag bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahres, das auf das Bezugsjahr folgt, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständigen Finanzamt zu stellen.

Mobilitätsprämie als Einstieg in eine neue Einkommensteuersystematik?

Auch wenn die Mobilitätsprämie für das Groß der Steuerpflichtigen von untergeordneter Bedeutung sein dürfte, so ist ihre Relevanz für die Systematik der deutschen Einkommensteuer doch brisant. Denn mit ihr erhält erstmals eine Art Negativsteuer Einzug in das deutsche Einkommensteuerrecht. Während andere Länder, wie etwa Österreich, ein solches Instrumentarium bereits kennen, ist dies dem deutschen Einkommensteuerrecht bisweilen noch fremd.

Ab dem kommenden Jahr können somit in Deutschland solche Steuerpflichtigen, die unterhalb des Grundfreibetrags liegen und keine Einkommensteuerzahlungen leisten müssen, seitens des Finanzamts eine Zahlung erhalten, soweit die Voraussetzungen zur Mobilitätsprämie vorliegen.

Ob der deutsche Gesetzgeber sich mit dieser Vorgehensweise einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten. Zumindest auf die Problematik, die entstehen kann, wenn fernab von Verlustverrechnungsmöglichkeiten seitens des Fiskus tatsächliche Auszahlungen aufgrund von negativer Leistungsfähigkeit geleistet werden, soll an dieser Stelle hingewiesen werden.

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