Nochmals: Warum der Soli vor dem BVerfG landet – und was Steuerpflichtige beachten sollten

Am 30.1.2023 hat der BFH den Verkündungstermin im Verfahren IX R 15/20 angesetzt; dort geht es um die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages. Welche Szenarien sind denkbar?

Hintergrund

Ich habe mehrfach berichtet: Seit 1995 erhebt der Fiskus eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5% der tariflichen ESt oder KSt zur Finanzierung der Sonderlasten aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung. Seit VZ 2020 und Auslaufen des Solidarpaktes II zahlen neben dem Zuschlag auf Einkünfte aus Kapitalvermögen nur noch rund 10 % der Steuerzahler den Soli, sog. „Besserverdienende“. Bislang haben BFH und BVerfG für VZ vor 2020 die Erhebung des Soli für verfassungskonform erklärt.

Worum geht es im aktuellen BFH-Verfahren?

Im Verfahren BFH IX R 15/20 muss der BFH jetzt klären, ob die Soli-Erhebung ab 2020 verfassungswidrig ist,

  • weil der Solidarpakt II Ende 2020 ausgelaufen und damit der Erhebungszweck der Ergänzungsabgabe weggefallen ist und/oder
  • weil es gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, dass seit VZ 2020 nur noch rund 10% der Steuerzahler den Soli zahlen müssen.

Welche Szenarien sind denkbar?

Wie man es auch dreht und wendet: Sicher scheint, dass die Klärung der Verfassungsmäßigkeit vor dem BVerfG landet:

  • Sollte der BFH am 30.1.2023 erklären, dass er selbst überzeugt ist, dass die Soli-Erhebung seit VZ 2020 gegen Verfassungsrecht verstößt, darf er nicht selbst das SolzG für verfassungswidrig erklären, sondern muss das Verfahren nach Art. 100 Abs 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen.
  • Sollte der BFH demgegenüber auch ab VZ 2020 von der Verfassungsmäßigkeit des Soli ausgehen, weist er die Revision des Klägers ab. Dann spricht aber viel dafür, dass der Kläger die BFH-Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs.1 Nr.4a GG) angreift. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist dann das letztinstanzliche BFH-Urteil und mittelbar das SolzG.

In beiden Fällen hat also das BVerfG „das letzte Wort“. Steuerpflichtige sollten deshalb alle ESt- oder KSt-Bescheide ab VZ 2020 durch Einspruch und Hinweis auf das (demnächst) anhängige BVerfG- Verfahren offenhalten, sofern nicht die entsprechenden Steuerbescheide durch das Finanzamt ohnehin für vorläufig erklärt sind (§ 165 Abs 1 S. 2 Nr2 AO).

Weitere Informationen:
Pressemitteilung Nr. 3/2023 des BFH zu IX R 15/20

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