Parteien zur Bundestagswahl 2021 – Teil 1: Unternehmenssteuerreform, rosige Aussichten oder rote Laterne – was bringen die 20er Jahre?

Mittlerweile haben sich alle im Bundestag vertretenen Parteien auf ihre Spitzenkandidaten festgelegt und ihre Wahlprogramme verabschiedet. Als Grundlage für die kommenden Koalitionsverhandlungen bieten die Programme einen nicht zu unterschätzenden Indikator, wie die Steuerpolitik in den nächsten vier Jahren der anstehenden Legislaturperiode aussehen könnte. Dinge, die noch nicht mal in Wahlprogrammen stehen, haben nämlich aus den Erfahrungen der Vergangenheit nur geringe Aussichten in das Arbeitsprogramm einer kommenden Bundesregierung aufgenommen zu werden. Ein genauer Blick in die Wahlprogramme der Parteien lohnt also, um die steuerpolitischen Erwartungen ohne rosa Brille zu betrachten und realistisch zu beurteilen, und einzuschätzen, ob auf Deutschland im Bereich der Unternehmensbesteuerung demnächst die rote Laterne eines europäischen Schlusslichts zukommen könnte.

Steuerpolitische Forderungen spielen in den Programmen eine wesentliche Rolle, da sie alle politischen Felder in verschiedenen Formen betreffen, bspw. in der Klimapolitik durch ihre Lenkungswirkung, zur Generierung von Einnahmen, um die Haushaltsdefizite der Corona-Krise auszugleichen, oder um die Wirtschaft nach der Krise per Steuersenkung wieder auf den Wachstumspfad zu bringen. Die Vielfalt der steuerlichen Wahlprogrammpunkte wollen wir in einer kleinen Blog-Artikelserie beleuchten. Im Rahmen einer dieser Serie zur Bundestagswahl 2021 wollen wir in einigen Blog-Beiträgen die steuerpolitischen Aussichten für Sie zusammenstellen und einordnen.

Nicht nur für Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Frage einer Unternehmenssteuerreform von zentraler Bedeutung. Auch Arbeitnehmer und der Rest der Bevölkerung profitieren davon, wenn Deutschland eine prosperierende Region in einem herausfordernden weltwirtschaftlichen Umfeld bleibt. Wirtschaftlicher Erfolg deutscher Unternehmen auf nationalen und internationalen Märkten sichert Einfluss auf europäische Entscheidungen genauso wie er dem deutschen Arbeitsmarkt zugutekommt, das Gesundheitssystem und Rentensystem stützt und staatlichen Stellen durch nachhaltige Steuereinnahmen ausreichenden Handlungsspielraum bereitstellt. Doch das Umfeld hat sich seit der letzten größeren Unternehmenssteuerreform im Jahr 2008 deutlich gewandelt. Seitdem ist Deutschland in allen steuerlichen Ländervergleichen nach hinten durchgereicht worden und ist für Unternehmen mittlerweile ein Höchststeuerland. Geschieht nichts, droh die rote Laterne.

Die FDP und die Unionsparteien möchten die Unternehmenssteuersätze reduzieren und durch steuerliche Entlastungen für Unternehmen Impulse setzen, um die Folgen der Pandemie mit wirtschaftlichem Wachstum zu kompensieren. Beide Parteien wollen die Steuerlast für Unternehmen auf 25 Prozent begrenzen, was Deutschlands steuerliche Wettbewerbsfähigkeit – zumindest, wenn man die enorm gestiegenen Bürokratieanforderungen außen vorlässt – spürbar verbessern würde. Dabei gehen die Liberalen konzeptionell deutlich weiter und fordern eine Strukturreform samt kompletter Abschaffung der Gewerbesteuer. Als Ausgleich für die Kommunen, die derlei Ambitionen bislang immer im Keim erstickt haben, schlägt die FDP einen höheren Anteil an den Einnahmen der Umsatzsteuer sowie einen Zuschlag auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vor.

Eine noch erheblich weiter gehende Forderung findet sich im Programm der AfD. Die Jüngste der Bundestagsparteien deutet eine große Reform im Steuerrecht mit einer Konzentration auf Einkommen- und Umsatzsteuer an und will die Gewerbesteuer wie auch Substanzsteuern und aufkommensschwache Verbrauchsteuern abschaffen.

Von steuerlichen Entlastungen für Unternehmen grenzt sich die Linkspartei am deutlichsten ab, so fordert sie eine Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 Prozent. Oben drauf käme noch eine Gewerbesteuer mit breiterer Bemessungsgrundlage (gemeint sind offenbar erhöhte Hinzurechnungen für Pachten, Mieten, Leasingraten und Lizenzgebühren), die obendrein auf Selbstständige und Freiberufler ausgeweitet werden soll. SPD und Grüne sprechen sich indirekt gegen eine deutliche Unternehmenssteuerreform aus, indem Sie das Thema schlicht ignorieren. Außerhalb des Wahlprogramms machen Politiker aber gelegentlich deutlich, was sie von einer breit angelegten Steuersenkung für Unternehmen halten. So verkündete der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans erst im April in einem Blogbeitrag: „Für eine pauschale Unternehmenssteuersenkung gibt es … keine Rechtfertigung.“ (https://www.blog-bpoe.com/2021/04/13/borjans/).

Ein weiteres wichtiges Thema in den Programmen sind Ansätze für eine Angleichung der Unternehmensbesteuerung auf europäischer Ebene. Hierzu legen alle Parteien außer der AfD Pläne vor. Die CDU möchte eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, allerdings sollen hierbei deutsche Besonderheiten berücksichtigt werden – eine Forderung, die durchaus das Zeug hat, die seit Jahren ergebnislosen EU-Verhandlungen um mindestens eine weitere Legislaturperiode zu verzögern. Wer tatsächlich eine EU-weite Vereinheitlichung der Unternehmenssteuern will, könnte in Vorleistung gehen und deutsche Besonderheiten (insbesondere die Gewerbesteuer) zurückschrauben. FDP und Grüne und auch die Linke sprechen etwas breiter von Unternehmenssteuern, die sie EU-weit harmonisieren wollen. Die Grünen streben dabei einen europäischen Mindeststeuersatz von 25 Prozent an, was enorme zehn Prozent (!) oberhalb der gerade auf OECD-Ebene vereinbarten Grenze liegt, während die Linke keinen genauen Steuersatz angibt. Die SPD bleibt bei diesem Thema mit ihren Forderungen am Abstraktesten und möchte lediglich das „Steuerdumping“ zwischen den Mitgliedstaaten beenden sowie eine globale Mindestbesteuerung einführen.

Fazit:

Deutschland hat neben Brasilien und Japan bereits jetzt die höchste Unternehmensbesteuerung unter den G20-Staaten. Daran wird weder die absehbare globale Mindestbesteuerung etwas ändern noch bewahrheiten sich gelegentlich vorgetragene Ankündigungen einer Trendumkehr im Steuerwettbewerb. Vielmehr hält Frankreich an seinen Plänen zu einer Steuersenkung auf 25 Prozent fest, während US-Präsident Biden offenbar Abstand von der Idee nimmt, die Trump’sche Steuersenkung für Unternehmen zurückzudrehen. Analysiert man die Wahlprogramme, möchten lediglich Union und FDP mit umfangreichen Maßnahmenpaketen diese ungesunde Entwicklung beenden. In einem Land, in dem der aus der Zeit gefallene AStG-Niedrigsteuersatz von 25 Prozent bewusst überspitzt formuliert quasi den Rest der Welt als Steueroase brandmarkt, sollte sich hoffentlich nach der Wahl die Erkenntnis durchsetzen, dass sich die Welt weiterbewegt hat, während Deutschland mittlerweile mit seiner Einschätzung zur Wettbewerbsfähigkeit der aktuellen Unternehmenssteuersätze ziemlich allein dasteht.

Der Reformansatz aus der letzten größeren Unternehmenssteuerreform 2008, mit nominellen Steuersenkungen die Standortattraktivität zu steigern, ist aus heutiger Sicht als klarer Erfolg zu werten. Von der guten wirtschaftlichen Entwicklung seit den reformfreudigen Nullerjahren profitierte nicht zuletzt der Staat: Trotz der nominellen Senkung des Satzes der Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 15 Prozent stieg das Aufkommen von 23 Milliarden Euro (2007) bis zum Vorabend der Coronakrise (2019) auf über 30 Milliarden Euro an.

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