Strompreisbremse: War die Gewinnabschöpfung bei Stromerzeugern verfassungswidrig?

Das BVerfG verkündet am 28.11.2024 seine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der sog. Gewinnabschöpfung nach dem Strompreisbremsengesetz – StromPBG (BVerfG – 1 BvR 460/23, 1 BvR 611/23. Worum geht es und was bedeutet das?

Rechtlicher Hintergrund und Gegenstand des Verfahrens

Die Strompreisbremse war vom Bundestag im Dezember 2022 beschlossen worden (BGBl 2022 S. 2512, nachdem im Laufe des Jahres 2022 der Strompreis massiv angestiegen war. Hauptgrund hierfür war die gezielte Verknappung der Gaslieferungen durch Russland im Zuge des Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Die von den Beschwerdeführern unmittelbar angegriffenen Vorschriften (§§ 13 – 18; 29 StromPBG) regeln unter anderem, dass Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien für „Überschusserlöse“ aus dem Verkauf des im Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 erzeugten Stroms „Abschöpfungsbeträge“ an die Netzbetreiber zahlen müssen. Ziel ist, die Beträge für die Entlastung der Letztverbraucher von krisenbedingt entstandenen hohen Stromkosten zu verwenden.

Die Beschwerdeführer beanstanden, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Abschöpfung, die sie zusätzlich zu den Steuern belaste, nicht gegeben seien. Sie treffe keine besondere Verantwortung für die Entlastung der Stromverbraucher. Dies sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche und daher aus Steuermitteln zu finanzierende Aufgabe. Ohnehin seien die hohen Stromkosten gerade nicht durch die Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, sondern wegen des kriegsbedingten Anstiegs der Gaspreise vor allem durch die Gaskraftwerke verursacht worden, die jedoch von der Abschöpfung ausgenommen seien.

Die beiden Verfassungsbeschwerden (1 BvR 460/23; 1 BvR 611/23) richten sich unmittelbar gegen die Vorschriften des StromPBG, die die Gewinnabschöpfung regeln. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren (Art.93 Abs.1 Nr.4a BVerfG) unmittelbar gegen ein Gesetz als Akt hoheitlicher Gewalt kann das BVerfG das Gesetz für verfassungswidrig und nichtig erklären, wenn es etwa gegen Grundrechte (im Streitfall die Eigentumsgarantie (Art.14 Abs.1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit der Anlagenbetreiber (Art. 2 Abs.1 GG)) verstößt. Etwaige Folgeentscheidungen sind den Fachgerichten vorbehalten; das BVerfG spricht beispielsweise keinen Schadensersatz zu.

Um welche Fragen geht es?

Der Bund hatte insgesamt 43 Mrd. Euro für die Eindämmung der Strompreise eingeplant. Zur Finanzierung sah das StromPBG vor, dass bis Juni 2023 sieben Monate lang 90 Prozent der „Zufallsgewinne“ der Energieerzeuger abgeschöpft werden, insgesamt also rund 13,5 Mrd. Euro. Der Rest des Geldes sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), einem Sondervermögen des Bundes, finanziert werden. Gegen diese finanzielle Inanspruchnahme wandten sich bereits Anfang 2023 insgesamt 22 Ökostrom-Anlagenbetreiber. Wegen sinkender Strompreise musste der Bund aber nur 16,3 Mrd. Euro für die Strompreisbremse aufwenden, die im Dezember 2023 auslief. Die Abschöpfung bei den Strom-Unternehmen beschränkte sich sogar auf 750 Mio. Euro bis Ende Juni 2023, also deutlich weniger als befürchtet.

Die Beschwerdeführer rügen die Heranziehung zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse, weil die Leistung an Unternehmen und Verbrauchern  im gesamtgesellschaftlichen Interesse liege und deshalb ausschließlich aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden müsse. Die Abschöpfung der Gewinne sei eine unzulässige Sonderabgabe, deren verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Auswirkungen der anstehenden BVerfG-Entscheidung

In den Verfahren geht es um die grundsätzliche Frage, ob in Deutschland vermeintlich unangemessene Gewinne von Unternehmen bei staatlich gewährten Fördermitteln abgeschöpft werden dürfen und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil damit auch die Investitionsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigt wird, deren Übergewinne abgeschöpft werden.

Sollte die Verfassungsbeschwerden erfolgreich sein, würden hiervon nicht nur die 22 klagenden Ökostrom-Anlagenbetreiber profitieren, sondern alle Energieunternehmen, deren Übergewinne im Rahmen der Strompreisbremse abgeschöpft wurden. Das könnte zu Rückzahlungsansprüchen im Volumen bis 750 Mio. Euro führen.

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