Es war einmal vor langer Zeit – da gab es das „Stuttgarter Verfahren.“ Die älteren unter uns werden sich noch daran erinnern. Die jüngeren verbinden damit vielleicht eher irgendetwas mit Bahnhöfen und Wutbürgern. Doch das Stuttgarter Verfahren lebt, und zwar in alten GmbH-Gesellschaftsverträgen, in denen sehr häufig als Abfindungsregelung bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Wertberechnung nach ebenjenem Stuttgarter Verfahren vorgesehen ist.
Diese Abfindungsklauseln sind selten überprüft worden, fallen einigen GmbH-Gesellschaftern nun aber „auf die Füße.“ Denn oftmals wird aus heutiger Sicht eine Abfindungsberechnung nach dem Stuttgarter Verfahren eigentlich nicht gewünscht – zumindest nicht von dem ausscheidenden Gesellschafter, denn das Verfahren kommt regelmäßig zu Werten, die (erheblich) unter den Verkehrswerten liegen, so dass die Klauseln oftmals einen gewissen „Strafcharakter“ in sich bergen.
Allerdings hat der Verweis auf das Stuttgarter Verfahren den Vorteil, dass die Klausel einigermaßen bestimmt ist. Viele Regelungen sehen dagegen vor, dass sich Abfindungen für ausscheidende Gesellschafter „nach den steuerlichen Werten“ richten. Früher war das nun einmal der Wert, der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt hat. Scheidet ein Gesellschafter jedoch heute aus, ist das steuerliche Verfahren das Ertragswertverfahren. Und dieses wiederum kann zu exorbitant überhöhten Werten führen – Streit ist damit vorprogrammiert. Es kann daher sinnvoll sein, die Mandanten zu bitten, ihre Gesellschaftsverträge zu aktualisieren. Es sollte das – aus heutiger Sicht – wirklich Gewünschte aufgenommen werden, und zwar unmissverständlich. Das wird gerade auch im Hinblick auf erbrechtliche Regelungen wichtig sein.
Übrigens hier ein Aufruf an die Verlagsmitarbeiter: Es finden sich in den einschlägigen Datenbanken kaum noch Hinweise oder Berechnungsprogramme zum Stuttgarter Verfahren, bis auf den Beitrag von Hamminger, Abfindungsbeschränkende Regelungen in Gesellschaftsverträgen (NWB 42/2016 S. 3169). Denkt an die jüngeren Kolleginnen und Kollegen und berichtet wieder einmal darüber.
Weitere Informationen:
Hamminger, Abfindungsbeschränkende Regelungen in Gesellschaftsverträgen, NWB 2016 S. 3169 (s. II, S. 3177)
(für Abonnenten kostenlos)
Ein Beitrag von:
-
- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
- Autor zahlreicher Fachbeiträge
- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.
07.03.2025 von Prof. Dr. Ralf Jahn
Auflösung des Bundestages – Welche Rechtsfolgen hat das für die Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments?