Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Anspruch und Wirklichkeit

Seit 16.3.2022 gilt eine „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen (§ 20a IfSG). Vier Monate seit Geltung dieser Impfregelung zeigt sich in der Praxis aber ein ernüchternder Befund: Die gesetzliche Regelung verpufft weitestgehend. Eine Spurensuche.

Hintergrund

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wurde Ende 2021 von Bundestag und Bundesrat durch Einfügung eines neuen § 20a IfSG beschlossen. Die teilweise Impflicht sollte der „Durchgangsbahnhof“ für die Einführung einer generellen Corona-Impfpflicht in Deutschland werden – aus der bekanntlich nichts geworden ist. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist vom Bundesverfassungsgericht (v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21) für verfassungsgemäß erklärt worden: Trotz der hohen Eingriffsintensität in Grundrechte der Betroffenen  (Art. 2 Abs.2 S. 1 ; Art 12 Abs. 1 GG) sind die Grundrechtseingriffe gerechtfertigt und verhältnismäßig, weil der Schutz vulnerabler Gruppen in den betroffenen Einrichtungen vorgeht.

Ernüchternde Zwischenbilanz

Abgesehen von Ausnahmeregelungen gilt nach § 20a IfSG grundsätzlich: Wer keine vollständige Impfung vorweisen kann, wird vom Arbeitgeber gemeldet, vom Gesundheitsamt angeschrieben und über die Impfung aufgeklärt. Erfolgt keine Impfung, ist laut IfSG ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro möglich und ein Betretungsverbot für die Einrichtung durch die Gesundheitsämter zu verhängen.

Die Umsetzungsbilanz ist allerdings ernüchternd: Weiterlesen

Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – Welche Lehren sind aus der Entscheidung des BVerfG zu ziehen?

Das BVerfG (1 BvR 2649/21) hat mit seiner am 19.5.2022 veröffentlichten Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bestätigt. Dies ist ein „juristischer Meilenstein“ in der COVID-19-Pandemiebekämpfung.

Welche Fernwirkung hat das verfassungsgerichtliche Machtwort? Weiterlesen

Impfpflicht ohne Mehrheit – aber auch ohne Folgen?

Im Bundestag war am 7.4.2022 keiner der eingebrachten Gesetzesanträge zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht mehrheitsfähig. Eine Bestandsaufnahme und Bewertung der Folgen.

Hintergrund

Die neue Ampel-Koalition hat Ende 2021 eine COVID-19-Impfpflicht auf den Weg gebracht, allerdings nur „berufsbezogen“ in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen (z.B. Alten- und Pflegeheimen),. Eine Ausweitung bleibt zu prüfen“, hieß es damals. Angesichts weiter steigender Infektionszahlen und einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems von Krankenhäusern bis hin zu Gesundheitsämtern wurde seitdem eine über die einrichtungsbezogene (sektorale) Impfpflicht hinausgehende allgemeine Impfpflicht streitig diskutiert: Zwischen Medizinern und Juristen gleichermaßen. Aus der vom Bundeskanzler bis „Mitte März 2022“ angekündigten allgemeinen Impfpflicht ist nichts geworden, ja nicht mal eine Regierungsvorlage für ein entsprechendes Gesetz hat die Ampel-Koalition hinbekommen.

Sämtliche Gesetzesvorlagen gescheitert

Verschiedene Initiativen zum Thema Corona-Impfpflicht, die von völliger Ablehnung bis zu einer allgemeinen Impfpflicht für alle über 18-Jährigen reichen, sind am 7.4.2022 im Bundestag ohne die erforderliche Abstimmungsmehrheit geblieben, alle Vorlagen sind „durchgefallen“, ein bemerkenswerter Vorgang. Die meisten Stimmen konnte auf die Beschlussempfehlung des federführenden Gesundheitsausschusses (BT-Drs. 20/1353) der Antrag auf sich vereinen, der eine verpflichtende Impfberatung und Einführung einer altersbezogenen Impfpflicht ab 60 Jahren ab dem 15.10.2022 vorsah (BT-Drs. 20/899 und 20/954); aber auch hier gab es keine Mehrheit. Damit haben sich letztlich die Parlamentarier faktisch durchgesetzt, die gegen eine Impfpflicht sind.

Welche Auswirkungen auf das Corona-Geschehen sind zu erwarten?

Feststeht, dass das Corona-Virus – egal in welcher Variante – noch längst nicht zu den Akten gelegt werden kann. Weiterlesen

Keine einrichtungsbezogene Impfpflicht in Bayern – Rechtsbruch oder Vorbild für andere Länder im Bund?

Bayern hat eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht angekündigt. Ist das ein fatales Signal, gar ein Rechtsbruch oder sollten andere Bundesländer diesem Schritt folgen? Eine Positionsbestimmung.

Worum geht es?

Seit geraumer Zeit ringt Deutschland um die Einführung einer Corona-Impfpflicht. Bereits am 18.11.2021 hat die MPK beschlossen: „Die Länder halten es für erforderlich, dass einrichtungsbezogen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie in Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten bei Kontakt zu vulnerablen Personen verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Länder bitten den Bund, dies schnellstmöglich umzusetzen.” Das entsprechende Gesetz zur Stärkung der COVID-19-Impfprävention (v. 10.12.2021, BGBl 2021 I S. 5162) ist am 12.12.2021 in Kraft getreten. Ab 15.3.2022 sieht es für Beschäftigte in Kliniken oder Pflegebereich den Nachweis vor, dass sie geimpft oder genesen sind. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, können die Gesundheitsbehörden Tätigkeitsverbote aussprechen. Die neue Regelung nach § 20a IfSG ist bis zum 31.12.2022 befristet.

Bayern hat jetzt „großzügige Übergangsregelungen“ angekündigt, was „de facto zunächst mal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft.“ Die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum 15.3.2022 sei „kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen.“ Geht das so einfach?

Wie ist die rechtliche Situation?

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal in § 20a IfSG ist geltendes Recht. Sie ist als „mittelbare Impfpflicht zu qualifizieren, da das Gesetz zwar an das Vorhandensein der Schutzimpfung anknüpft, die Schutzimpfung selbst aber nicht durchsetzen kann. Das Unterlassen der Impfung ohne Genesenen- oder Impfnachweis kann weitreichende berufliche Einschränkungen zur Folge haben. Das BVerfG (v.10.2.2022 – 1 BvR 2649/21) hat diese Regelung wenigstens vorläufig bestätigt und es nach einer Folgenabwägung der Nachteile für vulnerable Bevölkerungsgruppen abgelehnt, den Vollzug einstweilen auszusetzen.

Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten) heißt es im Privatrecht und nichts anderes gilt bei Gesetzen. Nach dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sind Exekutive und Rechtsprechung an „Recht und Gesetz“ gebunden. Die Einfügung von § 20a IfSG ist in einem ordnungsgemäßen Verfahren vom Bundestag am 10.1.2021 beschlossen worden, der Bundesrat hat zugestimmt – auch Bayern. Soll jetzt in Bayern das Gesetz nicht mehr eingehalten werden? Muss Bayern gar mit Bundeszwang (Art.37 Abs. 1 GG) dazu angehalten werden, seine Bundespflichten nach dem IfSG zu erfüllen?

Der bayerische Sonderweg: Vorbild für andere Länder?

Zugegeben: Viele Fragen der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind noch offen, die wichtigsten hat das Bundesgesundheitsministerium in FAQ zu beantworten versucht. Weiterlesen

Gesetzliche Corona-Impfpflicht für alle – geht das rechtlich überhaupt?

Steigende Inzidenzzahlen, drohender Kollaps des Gesundheitssystems, freiwillige Impfungen gegen das COVID-19-Virus nur noch im Schneckentempo: Brauchen wir eine generelle gesetzliche Impfpflicht ? Welche rechtlichen Grenzen sind dabei zu beachten?

Hintergrund

Eine flächendeckende gesetzliche Impfpflicht ist in Deutschland ein „heiliger Gral“: Niemand will sie eigentlich, die Politik hat sie schon zu Beginn der Corona-Pandemie zum Tabu erklärt. Inzwischen aber hat das Thema angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Infektionszahlen mit dem Attribut „Hochrisikogebiet Deutschland“ zu einer kontroversen Diskussion geführt. Freiwilligkeitsappelle zur Steigerung der Impfquoten verhallen bislang ungehört. Brauchen wir also eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland – für alle? Weiterlesen