Update: Scheitert die EU-Lieferkettenrichtlinie auf der Ziellinie?

Die EU-Mitgliedstaaten und ihre Unterhändler hatten sich Mitte Dezember auf neue EU-Standards bei Lieferketten geeinigt, eine neue CSDDD-Richtlinie (sog. EU-Lieferketten-Richtlinie). Doch könnte die Verschärfung in letzter Minute im EU-Ministerrat doch noch scheitern. Welche Folgen hätten das für die deutsche Wirtschaft?

Hintergrund

Seit 1.1.2023 stellt das Lieferkettensorgfaltspflichtengsetz (LKSG v. 16.7.2021, BGBl 2021 I S. 2159) verbindliche Sorgfalts- und Handlungspflichten für deutsche Unternehmen bei der Beachtung bei Arbeitsschutz und Umweltschutzstandards auf. Seit 1.1.2023 müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten umfangreiche Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten entlang ihrer Lieferketten überprüfen. Hierzu müssen Risikoanalysen erstellt, Menschenrechtsbeauftragte bestellt und auf den eigenen Internetseiten berichtet werden. Tun das die betroffenen Unternehmen nicht, drohen hohe Geldbußen. Seit 1.1.2024 werden auch Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten von diesem Gesetz erfasst.

Die Ende 2023 endverhandelte EU-Lieferketten-RL (CSDDD) geht weiter als das aktuell geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Insbesondere sieht der Entwurf, auf den sich Unterhändler von EU-Rat und Parlament geeinigt haben, eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vor und stellt umfassende Anforderungen an deren Strategie zur Einhaltung der auferlegten Sorgfaltspflichten. Die EU-Regelung sieht eine Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette vor. Unternehmen haften demnach nicht nur für direkte Vertragspartner, sondern indirekt auch für deren Zulieferer. Betroffen wären – unabhängig von ihrem Sitz – Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro sein, sowie Unternehmen ab 250 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro, wenn sie in Branchen mit „hohem Schadenspotenzial“ tätig sind.

FDP will EU-Lieferketten-Richtlinie stoppen

Meldungen von Presseagenturen von Ende Januar 2024 zufolge könnte die geplante Verschärfung des Lieferkettensorgfaltsrechts auf EU-Ebene in letzter Minute doch noch scheitern. Dem Vernehmen nach will die FDP der RL im EU-Ministerrat Anfang Februar 2024 mit einer Enthaltung die Zustimmung verweigern, Italien will sich dann anschließen. Die EU-Lieferketten-RL könnte somit nicht mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen werden und wäre gescheitert. Ein Ausweg wäre, dass auf EU-Ebene neue Verhandlungen aufgenommen werden, der bisherige Entwurf „entschärft“ und damit zustimmungsfähig gemacht wird – das bleibt abzuwarten.

Was hätte ein Scheitern der EU-Lieferketten-RL für Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft?

Vom deutschen LKSG sind laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aktuell rund 900 Unternehmen betroffen. Die neue EU-Richtlinie würde noch mehr Unternehmen betreffen und noch höhere Anforderungen stellen. Scheitert die EU-Lieferketten-RL, bliebe die deutsche Wirtschaft auch vom Risiko verschont, dass lokal Geschädigte gegen die Mutterunternehmen am Ende der Lieferkette in Europa auf Schadensersatz klagen können. Wirtschaftsverbände wie die DIHK hatten deshalb schon Mitte 2023 davor gewarnt, mit der EU-Lieferketten-RL nicht „das Kind mit dem Bade auszuschütten“, die europäischen Verschärfungspläne seien unverhältnismäßig und schadeten der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Diese Bedenken könnten sich jetzt „Last Minute“ doch noch durchsetzen. Ein Schaden für die deutsche Wirtschaft wäre das nicht – im Gegenteil. Nach dem geplanten EU-Recht wären unter bestimmten Bedingungen sogar Unternehmen ab 250 Mitarbeitern betroffen. Mittelständische Unternehmen werden schon jetzt mittelbar in der Lieferkette bezüglich ihrer menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken kontaktiert, obwohl sie nicht direkt unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen – je nach Größe in unterschiedlichem Ausmaß. Die aktuell von einer Rezession geplagte deutsche Wirtschaft wird auch in Zukunft im Kern exportorientiert bleiben, hierauf basiert im Wesentlichen unser Wohlstand. Im Vergleich der großen westlichen Industrienationen ist Deutschland zuletzt weiter zurückgefallen, weitere Risiken drohen angesichts der geopolitischen Großwetterlage. Deshalb kann gerade die weltmarktorientierte deutsche Wirtschaft in der aktuellen Situation zusätzliche EU-Bürokratielasten überhaupt nicht gebrauchen. Denn am Ende würde der damit verbundene Mehraufwand vom Verbraucher bezahlt werden müssen.

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