Urteil zur Kassenmanipulation – deutliche Ohrfeige für das FG Münster?

Vor einiger Zeit hatte ich als Aufreger des Monats das Urteil des FG Münster vom 29.3.2017 (7 K 3675/13 E,G,U) kritisiert. Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Frisörbetrieb sein Kassensystem offen mit der Software Microsoft Access verknüpft. Eine tatsächliche Manipulation lag nicht vor. Und sie war auch wohl schwierig und nur mit Software-Kenntnissen durchzuführen. Dennoch reichte dem FG allein schon die theoretische Möglichkeit einer Manipulation, um eine Hinzuschätzung von Erlösen zuzulassen. Gegen das Urteil ist glücklicherweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, die nun vom BFH als begründet gewertet worden ist (X B 65/17).

Es ist interessant, dass sich der BFH offenbar sehr intensiv mit dem Ablauf des finanzgerichtlichen Verfahrens beschäftigt hat. Und mir stellen sich da – ehrlich gesagt – die Nackenhaare zu Berge. O-Ton des BFH: „Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) jedenfalls dadurch verletzt, dass es trotz eines entsprechenden förmlichen Antrags des Klägers keinen Beweis über die Frage erhoben hat, ob die steuerlich erheblichen Daten zur Programmdokumentation in dem vom Kläger verwendeten Kassensystem gespeichert sind.“

Man muss sich das einmal vorstellen: Der vom Gericht bestellte Gutachter schreibt, dass er in Bezug auf die vom Kläger konkret verwendete Software nicht habe feststellen können, dass die Kassendaten durch eingebaute Funktionalitäten vom Anwender einfach verändert werden könnten. Er halte eine Manipulation der Daten durch den Anwender der Software für schwerlich möglich. Der vom Kläger beauftragte Privatgutachter sagt, ein undokumentiertes Löschen von steuerlich relevanten Datensätzen sei bei der vom Kläger verwendeten Kassensoftware nicht möglich.

Lediglich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erläuterte der vom Gericht bestellte Gutachter, sein Gutachten sei dahingehend zu verstehen, dass zwar eine Manipulation durch den Anwender nur schwerlich möglich sei, eine entsprechend geschulte Person mit EDV-Kenntnissen aber Manipulationen vornehmen könne.

Der Kläger stellte in der mündlichen Verhandlung daraufhin weitere Beweisanträge. Ferner bat er um richterliche Hinweise zu mehreren Fragen. Das FG führte hierzu aus, es sei ihm nicht möglich, einen sicheren richterlichen Hinweis dazu zu geben, welche Anforderungen nach Auffassung des BFH im Einzelfall an den Gegenbeweis der fehlenden Manipulationsmöglichkeiten zu stellen seien. Dann wurden Beweisanträge abgeschmettert, Hinzuschätzungen in Höhe von 7,5% auf die erklärten Nettoumsätze für sachgerecht gehalten und die Revision nicht zugelassen.

Diesem Spuk hat der BFH nun ein Ende bereitet. Allerdings sollte nicht zu früh gejubelt werden. Entweder werden sich nun das FG Münster im zweiten Rechtszug oder der BFH im Zuge der Revision intensiv mit den Auswirkungen einer – theoretischen  – Manipuliermöglichkeit von (PC-)Kassensystemen auseinandersetzen müssen (der BFH hat diesbezüglich „freundlicherweise“ auf folgenden Aufsatz auf dem Hause NWB verwiesen: Reckendorf, BBK 2017, 796, 800). Unter anderem wird es hinsichtlich der Nachweispflichten (Vorlage von Programmierprotokollen etc.) auch auf die Bauart des Kassensystems ankommen.

Der BFH: „Das vom FG und den Beteiligten herangezogene Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 betraf eine Registrierkasse eher einfacherer Bauart. Auf derartige Systeme bezog sich die in Rz 28 jener Entscheidung enthaltene Aussage, das Gewicht des in der Nichtaufbewahrung der Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen liegenden Mangels trete zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlege, dass die von ihm verwendete Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Für Registrierkassen einfacher Bauart hält der Senat trotz der vom FG und in Teilen der Literatur (z.B. Henn, Der Betrieb 2016, 254, 255) erhobenen Kritik an dieser Aussage fest. Bei derartigen Kassen, die im Allgemeinen nur sehr eingeschränkte Programmiermöglichkeiten bieten, erscheint es zumindest nicht als grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Steuerpflichtiger den Nachweis führen kann, die vorhandene – eingeschränkte – Programmiermöglichkeit eröffne keine Manipulationsmöglichkeiten.“

Für neuere Kassensysteme dürfte es damit wohl bei den strengen Anforderungen bleiben. Und: Das Urteil betrag einen Sachverhalt vor Inkrafttreten des § 146b AO.

Lesen Sie hierzu auch folgende meiner Beiträge im NWB Experten-Blog:

Weitere Informationen:

 

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