Neue EU-Richtlinie verschärft Produkthaftung – Worauf sich Unternehmen einstellen müssen

Am 8.12.2024 ist die neue EU-Produkthaftungs-RL (ProdHaftRL) in Kraft getreten, die von den Mitgliedstaaten bis spätestens 9.12.2026 umzusetzen ist. Damit entsteht ein neuer Rahmen für Schadenersatzansprüche für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden. Was ist zu beachten?

Hintergrund der Produkthaftung

Wird ein fehlerhaftes Produkt (bewegliche Sache außer Arzneimittel) hergestellt, das zu einem Personen- oder Sachschaden, haftet der Hersteller des fehlerhaften Produkts (selbst bei sog. „Ausreißern“) und muss dem Geschädigten den Schaden ersetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Hersteller den Produktfehler verschuldet hat, da die Haftung unabhängig vom Verschulden des Herstellers eintritt (sog.  Gefährdungshaftung). Neben dem Produkthersteller haftet gesamtschuldnerisch auch der Importeur der Ware. Selbst der Händler kann zur Haftung herangezogen werden.

Grundlage der Produkthaftung ist das Produkthaftungsgesetz (v. 15.12.1989, BGBl 1989 I S. 2198), das auf Basis der EU-Produkthaftungs-RL aus dem Jahr 1985 (Richtlinie des Rates vom 26.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (85/374/EWG) erlassen worden ist.

Neue EU-ProdHaftRL bis 9.12.2026 umzusetzen

Nach Zustimmung des EU-Rates am 23.10.2024 wurde am 18.11.2024 wurde die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie 2024/2853 (im Folgenden „ProdHaftRL“) im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist nach Verkündung am 9.12.2024 in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 9.12.2026 Zeit, die neuen Vorschriften zur Produkthaftung in nationales Recht umzusetzen. Die bisherige Richtlinie 85/374/EWG wird mit Wirkung vom 9.12.2026 aufgehoben und durch die neue ProdHaftRL ersetzt. Mit der überarbeiteten Richtlinie werden die Vorschriften für die Entschädigung von Personenschäden, Sachschäden oder Datenverlusten modernisiert und verstärkt. Aus Sicht der Wirtschaft ist aber zu bedenken, dass die neue ProdHaftRL die verschuldensunabhängige Haftung mit einer Vielzahl neuer Risiken einseitig zu Lasten (produzierender) Unternehmen durch folgende Neuregeln verschärft:

  • Erweiterung von Produktbegriff und Fehlerbegriff: Neu ist, dass vom Produkt-Begriff auch digitale Konstruktionsunterlagen, Rohstoffe und Software (Art. 4 Nr. 1 Hs. 1 ProdHaftRL) erfasst werden.
  • Der Produktfehlerbegriff wird erweitert: Künftig wird die Fehlerhaftigkeit eines Produkts auch dadurch begründet, dass es nicht die Sicherheit bietet, die die „breite Öffentlichkeit“ erwarten darf. Die ProdHaftRL lässt leider offen, wann eine relevante Sicherheitslücke vorliegt.
  • Erweiterung der Haftungsverantwortlichen: Derzeit haftet in erster Linie nur der Hersteller, wobei dazu auch der sog. Quasi-Hersteller rechnet. Der Importeur wiederum haftet gemäß Art. 3 Abs. 2 RL 85/374/EWG wie ein Hersteller. Der Lieferant haftet hingegen nur subsidiär (Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 85/374/EWG), wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann und er dem Geschädigten nicht innerhalb angemessener Zeit den Hersteller oder seinen Lieferanten nennen kann. Künftig zählen nach Art. 8 ProdHaftRL zu den haftenden Wirtschaftsakteuren der Bevollmächtigte, wenn der Hersteller des fehlerhaften Produkts außerhalb der EU niedergelassen ist (Art. 8 Abs. 1 lit. c) ii) ProdHaftRL) und der Fulfilment-Dienstleister, wenn der Hersteller des fehlerhaften Produkts außerhalb der EU niedergelassen ist und auch weder Importeur mit Sitz in der EU noch Bevollmächtigter vorhanden ist (Art. 8 Abs. 1 lit. c) iii) ProdHaftRL). Da die ProdHaftRL den Kreis der Haftungssubjekte also erheblich ausweitet, müssen gerade solche Unternehmen sich auf potenzielle Schadensersatzansprüche einstellen, die bislang nicht zu den typischen Haftungsschuldnern zählten.
  • Beweiserleichterungen für Geschädigte: Die Beweislast vor Gericht ändert sich durch Art. 10 ProdHaftRL zum Nachteil der Unternehmen. Bislang muss der Geschädigte den vollen Nachweis bringen für den Fehler, den Schaden, und die Ursächlichkeit zwischen Fehler und Schaden. Nach der neuen Regelung ist der Geschädigte im Prozess auch dann erfolgreich, wenn bloß wahrscheinlich ist, dass der Produktfehler den Schaden verursacht hat. Dies führt praktisch zu einer Beweislastumkehr zulasten des Unternehmers.

Was Unternehmen jetzt veranlassen sollten

Da die ProdHaftRL den Kreis der haftenden Wirtschaftsakteure erheblich ausweitet, sollten gerade solche Unternehmen sich auf potenzielle Schadensersatzansprüche einstellen, die bislang nicht zu den typischen Haftungsschuldnern gezählt haben (verändernde Hersteller, Bevollmächtigte des Herstellers, Fulfillment-Dienstleister, Betreiber von Online-Verkaufsplattformen). Gerade für Unternehmen, die smarte Produkte oder KI-Systeme entwickeln oder vertreiben ist die uneingeschränkte Erweiterung der Produkthaftung auf Software-Produkte und die Erweiterung des Fehlerbegriffs von großer Relevanz.

Für alle Unternehmen werden sich insbesondere die neuen prozessualen Pflichten und Risiken auswirken. Die Offenlegungspflicht wird weitreichende Konsequenzen für die Erfolgsaussichten von Haftungsprozessen haben, da sie praktisch zu einer Quasi-Beweislastumkehr führt. Der Anspruchsteller muss ggf. nur noch die Plausibilität seines Anspruchs nachweisen. Unternehmen sollten deshalb ihre Dokumentationsprozesse anpassen, um bei Offenlegung im Haftungsfall nicht ungewollt Geschäftsgeheimnisse preiszugeben.

Bislang schließen überwiegend Endhersteller eine Produkthaftpflichtversicherung ab. Nach der neuen ProdHaftRL sollten jetzt auch die „neuen“ haftenden Wirtschaftsakteure, z.B. die Hersteller von Komponenten, wie Hersteller von Microchips, das Risiko des Endprodukts versichern. Unternehmen, die bislang mangels Haftungsrisiko ohne Versicherungsschutz ausgekommen sind, sollten den Abschluss einer Produkthaftpflichtversicherung prüfen.

Weitere Informationen:

 

Verlängerung der Mietpreisbremse in der parlamentarischen Diskussion

Angesichts des weiter zunehmenden Drucks auf dem Mietmarkt mit weiter steigenden Mietpreisen nimmt der Druck auf die Politik zu, regulierend in die Preisbildung mit der sog. Mietpreisbremse (§ 556d, e BGB) einzugreifen und die aktuell am 31.12.2025 endende sog. Mietpreisbremse zu verlängern. Wie ist der aktuelle Sachstand?

Hintergrund

Die Mietpreisbremse wurde im Jahr 2015 eingeführt und wurde 2020 nach einer Entscheidung des BVerfG (BVerfG, v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvR 1595/18, 1 BvL 4/18) verschärft: Die Bundesregierung brachte einen Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/15824) zur Verlängerung und Verschärfung der „Mietpreisbremse“ (§§ 556d, e BGB) ein mit dem Ziel, in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt eine Begrenzung bei Mieterhöhungen vorzusehen; andernfalls wäre die bestehende Regelung zum Jahresende 2020 ausgelaufen, Der Bundestag hatte am 14.2.2020 in 2./3. Lesung der Verschärfung der Mietpreisbremse zugestimmt, der Bundesrat am 13.3.2020 (BR-Drs. 78/20 vom 13.3.2020) zugestimmt. Das Gesetz (BGBl. I 2020 S.540) ermöglicht den Ländern, Wohnungsmieten in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt weiterhin zu begrenzen: Auf maximal zehn Prozent über dem Vergleichsindex bei Vertragsabschluss. Ist das Mietobjekt neu gebaut oder umfassend modernisiert, gelten die Einschränkungen der Mietpreisbremse aber nicht.

Die Mietpreisbremse läuft nach aktueller Rechtslage zum 31.12.2025 aus. Im Kern legt die Mietpreisbremse fest, dass die Miete bei der Neu- und Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen darf. Dies gilt nur für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten, also zum Beispiel dort, wo Mieten deutlich stärker steigen als im Bundesdurchschnitt oder die Bevölkerung besonders stark wächst, ohne dass der Wohnungsneubau damit Schritt hält. Welche Gebiete dazugehören, legen die jeweiligen Landesregierungen fest.

Aktueller Beratungsstand in Bundestag und Bundesrat

Nach dem Bruch der Ampelregierung am 6.11.2024 gibt es ganz aktuell zwei Gesetzgebungsinitiativen mit dem Ziel, die derzeit geltende gesetzliche Mietpreisbremse über den 31.12.2025 hinaus zu verlängern. Weiterlesen

Gute Nachricht zum Weihnachtsfest: Deutschlandticket für 2025 gesichert!

Nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat vom 20.12.2024 ist durch die rückwirkende Änderung des Regionalisierungsgesetzes zum 1.1.2024 die Finanzierung des 59 Euro-Deutschlandtickets bis 31.12.2025 gesichert. Was danach passiert ist ungewiss.

Hintergrund

Seit 1.5.2023 kann mit dem Deutschlandticket der öffentliche Personennahverkehr deutschlandweit genutzt werden, mehr als 13 Mio Deutsche machen davon Gebrauch. Das Ticket kann für 49 Euro im Abonnement gekauft werden, lässt sich aber monatlich kündigen. Es ist gerade für Pendler in Ballungsräumen attraktiv, weil es oft deutlich günstiger ist als andere ÖPNV-Tickets. Bis Ende 2024 bleibt der Preis stabil bei 49 Euro. Da aber die Finanzierung für 2025 ungewiss war, haben Bund und Länder länger verhandelt mit dem Ergebnis, den Preis des Deutschlandtickets ab 1.1.2025 auf 58 Euro/Monat anzuheben. Dafür müssen sich Bund und Länder auf eine Anpassung des Regionalisierungsgesetzes einigen, dass die Verteilung der Finanzierungslasten regelt.

Einigung im Verkehrsausschuss des Bundestages

Durch die Annahme eines Änderungsantrages der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Verkehrsausschuss am 18.12.2024 (BT-Drs.20/14304) sollen bislang nicht verausgabte Regionalisierungsmittel des Bundes in Höhe von 350 Millionen Euro entgegen der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfes nun doch den Bundesländern im kommenden Jahr zur Finanzierung des Deutschlandtickets zur Verfügung gestellt werden. Darauf hatten sich die Koalitionsfraktionen am Dienstag (17.12.2024) mit der CDU/CSU-Fraktion geeinigt. Allerdings dürfen diese Gelder von den Ländern nicht dafür benutzt werden, um vergünstigte Deutschlandtickets etwa für Schüler zu finanzieren.

Die Länder haben bereits angekündigt, dass sie den bisherigen Preis des Deutschlandtickets im kommenden Jahr von 49 Euro auf 58 Euro pro Monat erhöhen werden. Das Deutschlandticket, das für den öffentlichen Personennahverkehr im gesamten Bundesgebiet gilt, wird von Bund und Ländern mit jeweils 1,5 Milliarden Euro finanziert. Die Neuregelung sieht zudem vor, dass es keine über den Betrag von jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Kalenderjahr in den Jahren 2023 bis 2025 hinausgehende Nachschusspflicht von Bund und Ländern gibt. Sofern der Betrag den gesetzten Rahmen von 9 Milliarden Euro (je 1,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern für die Jahre 2023, 2024 und 2025) überschreitet, müssten die Länder geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Zuschussbedarf ohne Rückgriff auf die nach § 5 RegG zur Verfügung gestellten Mittel zu decken. Dabei kommt auch eine Preisanpassung des Deutschlandtickets (nach oben) in Betracht.

Dem Kompromissbeschluss des Verkehrsausschuss haben sich am 20.12.2024 der Bundestag und nachfolgend der Bundesrat angeschlossen. Das geänderte Regionalisierungsgesetz kann damit nach Ausfertigung und Verkündung rückwirkend zum 1.1.2024 in Kraft treten. Weiterlesen

Gesetzliche Pflegeversicherungsbeiträge steigen ab 1.1.2025

Der Beitragssatz der sozialen gesetzlichen Pflegeversicherung wird zum 1.1.2025 um 0,2 Prozentpunkte auf dann bundeseinheitlich 3,6 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder angehoben. Der von der Bundesregierung am 10.12.2024 beschlossenen Pflegebeitrags-Anpassungsverordnung (PBAV) hat der Bundesrat am 20.12.2024 zugestimmt.

Hintergrund

Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung spitzt sich weiter zu: Allein für dieses Jahr erwartet der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Defizit von 1,8 Milliarden Euro. Durch den demografischen Wandel steht deshalb die soziale Pflegeversicherung vor großen Herausforderungen. Bereits jetzt ist eine steigende Zahl der Pflegebedürftigen zu verzeichnen, während die Zahl der Beitragszahlenden weiter sinke. Erschwerend kommt hinzu, dass in den Jahren 2022 und 2023 die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf noch schneller zugenommen hat, als es zu erwarten gewesen wäre. Steigende Kosten für die Pflege entstehen nächstes Jahr auch dadurch, dass Beschäftigte in der Altenpflege ab 1.7.2025 mehr Geld bekommen: Der Mindeststundenlohn steigt für Pflegekraftkräfte auf 20,50 Euro/Stunde, für qualifizierte Pflegehilfskräfte auf 17,35 Euro/Stunde und Pflegehilfskräfte auf 16,10 Euro/Stunde.

Bundesrat stimmt Anpassungsverordnung zu

Um die Finanzierung der Pflegeversicherung kurzfristig zu sichern, hat die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums auf Basis von § 55 SGB die Erhöhung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte ab dem 1.1. 2025 auf den Weg gebracht. Der Bundestag hat die Anpassungsverordnung am 5.12.2024 zur Kenntnis genommen. Jetzt hat der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres am 20.12.2024 der PBAV zugestimmt. Diese kann jetzt ausgefertigt und verkündet werden, so dass sie zum 1.1.2025 in Kraft treten kann.

Einordnung und Bewertung

In den Jahren 2022 und 2023 die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf mit 270.000 bzw. 360.000 schneller zugenommen, als dies rein demografisch zu erwarten gewesen wäre. Weiterlesen

Finanzausschuss und Bundestag geben grünes Licht für steuerliche Entlastungen ab 2025

Am 18.12.2024 hat der Finanzausschuss des Bundestages das „abgespeckte“ Steuerfortentwicklungsgesetz beschlossen (BT-Drs. 20/14309), der Bundestag hat sich dem nur einen Tag später am 19.12.2024 angeschlossen. Die finale Zustimmung des Bundesrates ist damit nur noch Formsache, die Steuerentlastungen können rechtzeitig zum1.1.2025 wirksam werden.

Hintergrund

Ich habe wiederholt im Blog berichtet: Mit dem Regierungsentwurf für ein Steuerfortentwicklungsgesetz (BT-Drs. 20/12778) sollen insbesondere die Tarifeckwerte bei der Einkommensteuer verschoben werden, damit nicht Lohn- und Gehaltszuwächse inflationsbedingt durch die Steuerprogression aufgezehrt werden (sog. kalte Progression).  Die Kabinettsvorlage sah hierbei eine Anhebung des Grundfreibetrags bei der Steuer 2025 um 312 Euro auf 12.096 Euro vor. Das sind zwölf Euro mehr als bisher geplant. 2026 soll der Grundfreibetrag auf 12.348 Euro steigen. Der Kindergrundfreibetrag sollte ebenfalls steigen, das Kindergeld ab 2025 angehoben werden.

Gegenüber dem ursprünglichen BMF-Entwurf wurde der Gesetzentwurf dann im Sommer/Herbst 2024 auf Drängen von SPD und Grünen nochmals erweitert. Diesen Kompromiss wollte die FDP dann jedoch nicht her mittragen. Seit dem Koalitionsbruch vom 6.11.2024 lag das StFeG „auf Eis“. Anfang Dezember 2024 haben sich die Minderheitsregierung und die FDP aber doch noch darauf verständigt, das Gesetz noch vor den voraussichtlich am 23.2.2025 anstehenden Neuwahlen zu verabschieden, allerdings in abgespeckter Form.

Beschlussinhalt im Finanzausschuss

Nach dem Kompromiss zwischen der jetzigen Minderheitsregierung und der FDP bleibt im StFeG die Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2025 um 60 Euro auf 6.672 Euro inhaltlich unverändert beibehalten. Der Grundfreibetrag für 2025 nun um 312 Euro (statt 300 Euro) auf nunmehr 12.096 Euro erhöht, um die Effekte der kalten Progression auszugleichen. Für 2026 wird der Grundfreibetrag um 252 Euro auf 12.348 Euro erhöht. Weiterlesen

Mietnachzahlung innerhalb der Schonfrist schützt nicht vor ordentlicher Kündigung

Wer innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB einen Mietrückstand ausgleicht, ist nicht vor einer auf den Mietrückstand gestützten ordentlichen Kündigung des Mietvertrages geschützt. Dies hat der BGH ganz aktuell bekräftigt (BGH v. 23.10.2024 – VIII ZR 177/23).

Sachverhalt im Streitfall

Die beklagte Mieterin, die seit 2006 Mieterin war, hatte die Mieten für die Monate Januar und Februar 2022 nicht gezahlt. Deshalb erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 14.3.2022 die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 17.3.2022 glich die Beklagte den vorgenannten Mietrückstand vollständig aus. Das AG Kreuzberg (6.12.2022 – 13 C 261/22) hat der Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses stattgegeben, das LG Berlin (14.6.2023 – 66 S 302/22) hat im Berufungsverfahren die Räumungsklage hingegen abgewiesen. Mit der Revision wollte die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils erreichen; dem hat der BGH jetzt entsprochen.

Entscheidung des BGH

Die Klägerin war nach Ansicht des BGH berechtigt, hilfsweise eine ordentliche Kündigung wegen Mietrückstands auszusprechen und darauf auch die Räumungsklage zu stützen. Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands beziehungsweise eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung. So hatte der BGH bereits früher entschieden (BGH 13.10.2021 – VIII ZR 91/20; 5.10.2022 – VIII ZR 307/21). Der BGH weist hierbei darauf hin, dass diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine richterliche Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.

Bedeutung für die Praxis Weiterlesen

Steuerfortentwicklungsgesetz „light“ soll doch noch vor den Neuwahlen kommen

Nach dem Scheitern der Regierungskoalition am 6.11.2024 sind die meisten Gesetze der Regierung in der „parlamentarischen Warteschleife“, auch das Steuerfortentwicklungsgesetz (StFeG, vormals Zweites JStG 2024). Jetzt haben sich die Minderheitsregierung und die FDP aber doch noch darauf verständigt, das Gesetz noch vor den voraussichtlich am 23.2.2025 anstehenden Neuwahlen zu verabschieden, allerdings in abgespeckter Form.

Hintergrund

Mit dem Regierungsentwurf für ein Steuerfortentwicklungsgesetz (BT-Drs. 20/12778) sollen insbesondere die Tarifeckwerte bei der Einkommensteuer verschoben werden, damit nicht Lohn- und Gehaltszuwächse inflationsbedingt durch die Steuerprogression aufgezehrt werden (sog. kalte Progression).  Die Kabinettsvorlage sah hierbei eine Anhebung des Grundfreibetrags bei der Steuer 2025 um 312 Euro auf 12.096 Euro vor. Das sind zwölf Euro mehr als bisher geplant. 2026 soll der Grundfreibetrag auf 12.348 Euro steigen. Der Kindergrundfreibetrag sollte ebenfalls steigen, das Kindergeld ab 2025 angehoben werden. Gegenüber dem ursprünglichen BMF-Entwurf wurde der Gesetzentwurf dann im Sommer/Herbst 2024 auf Drängen von SPD und Grünen nochmals erweitert. Diesen Kompromiss wollte die FDP dann jedoch nicht her mittragen. Seit dem Koalitionsbruch vom 6.11.2024 lag das StFeG „auf Eis“.

Minderheitsregierung einigt sich mit FDP

Jetzt haben die bisherigen Koalitionäre doch noch vereinbart, bis zur Neuwahl am 23.2.2025 die Steuerzahler zu entlasten. Die wichtigsten Eckpunkte sind dabei: Weiterlesen

BAG: Auch Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Überstundenzuschläge

Das BAG hat am 5.12.2024 (8 AZR 370/20 und 8 AZR 372/20) entschieden, dass auch Teilzeitbeschäftigte einen tarifvertraglichen Anspruch auf Überstundenzuschläge „ab der ersten Minute“ haben; bei Verstößen kommt überdies eine Entschädigung wegen Diskriminierung (§ 15 Abs.2 AGG) in Betracht.

Worum ging es im Streitfall?

Die Klägerin ist bei einem Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern als Pflegekraft in Teilzeit (40 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Nach § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 Prozent zuschlagspflichtig Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.

Mit ihrer Klage fordert die Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben, ferner die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 S. 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.

Das Arbeitsgericht (ArbG Fulda, 09.11.2018 – 1 Ca 106/18)  hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das LAG Hessen (19.12.2019 – 5 Sa 436/19) hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt. Das BAG hatte das Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und den EuGH um  Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Dies hat der EuGH getan (EuGH 29.7.2024 – C-184/22 und C-185/22) und entschieden, dass eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten liegen sowie eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vorliegen kann, wenn Überstundenzuschläge nur fällig werden, wenn die für Vollzeitbeschäftigte geltenden wöchentlichen Arbeitszeiten überschritten werden.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Revision der Klägerin hatte jetzt teilweise Erfolg. Das BAG hat der Klägerin in Übereinstimmung mit dem LAG Hessen die verlangte Zeitgutschrift auf dem Arbeitskonto zugesprochen, ferner eine Entschädigung i.H.v. 250 Euro zuerkannt (§ 15 Abs. 2 AGG). Weiterlesen

Mietpreisbremse auf der Kippe

Das Bundeskabinett hat am 11.12.2024 den Gesetzentwurf zur Änderung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn beschlossen, mit dem die geltende Mietpreisbremse bis 2029 verlängert werden soll. Ob das Gesetz angesichts der am 16.12.2024 anstehenden Vertrauensfrage des Bundeskanzlers noch fristgerecht verabschiedet wird, scheint fraglich.

SPD erhöht Druck für Verlängerung der Mietpreisbremse

Mit dem jetzt vom Minderheitskabinett unter Führung des SPD beschlossenen Gesetzentwurf soll den Landesregierungen ermöglicht werden, Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt auch über den 31.12.2025 hinaus durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Das bedeutet, dass in den so festgelegten Gebieten die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete regelmäßig höchstens um 10 Prozent übersteigen darf. Zudem soll die Mietpreisbremse auch auf Wohnungen angewendet werden, die nach dem 1.10.2014 und bis zum 1.10.2019 erstmals genutzt und vermietet wurden. Neu ist, dass die Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2029 gelten soll, also ein Jahr länger als noch im ursprünglichen Gesetzentwurf des früheren Bundesjustizministers Buschmann vorgesehen.

Wie geht’s weiter? Weiterlesen

Bürokratieerleichterungen für Versicherungskaufleute – Sachkundeprüfung soll nach Ausbildungsberuf entfallen

Die IHK-Sachkundeprüfung für den neuen Ausbildungsberuf „Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzanlagen“ soll nach einem Verordnungsentwurf des BMWK künftig entfallen. Absolventen dieser Ausbildung soll nach der 1. ÄndV zur Versicherungsvermittler-Verordnung (VersVermÄndV) der Erwerb der Erlaubnis als Versicherungsvermittler nach § 34d Abs. 1 GewO erleichtert werden.

Hintergrund

Versicherungsvermittler bedürfen nach § 34d GewO neben der Gewerbeanmeldung (§ 14 GewO) grundsätzlich einer Erlaubnis der nach Landesrecht zuständigen Ordnungsbehörde. Einzelheiten des Erlaubnisverfahrens regelt die Versicherungsnehmer-Vermittler-Verordnung (VersVermV), die zum Nachweis der besonderen Sachkunde eine Sachkundeprüfung vor der IHK vorschreibt. § 5 Abs. 1 VersVermV enthält allerdings eine Aufzählung von Berufsqualifikationen, die der Sachkundeprüfung im Rahmen des Erlaubnisverfahrens für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit als Versicherungsvermittler gleichgestellt sind. Weiterlesen