Ende der Immobilienparty: Wieso eine IFRS-Vorschrift Vonovia einen Milliardenverlust beschert

Gewinn ist Silber, Cash ist Gold?

Die Party ist vorbei. Die Zeit der steigenden Preise auch. Nein, ganz im Gegenteil: Gerade hat der DAX-Konzern Vonovia wieder einen hohen Verlust verkündet. Die Gründe? Die sinkenden Immobilienpreise.

Ein paar Details zur IFRS-Vorschrift

Im letzten Jahrzehnt kannten die Immobilienpreise nur einen Weg: Steil nach oben. Dies hat börsennotierten Immobilienkonzernen zumindest auf dem Papier hohe Gewinne beschert. Denn im IFRS-Abschluss können die Wertsteigerungen der Immobilien sofort als Gewinn ausgewiesen werden. Die Voraussetzung? Es handelt sich um sog. Investment Properties gem. IAS 40. Dies sind Immobilien, die als Finanzinvestitionen gehalten werden und damit beispielsweise Mieteinkünfte erzielt werden.

Wie schnell die ausgewiesenen Gewinne sich jedoch ins Gegenteil umkehren können, sieht man derzeit in den Bilanzen vieler Immobilienkonzerne: Da der Fair Value bei vielen Immobilien sinkt, führt die Wertverringerung zu einem Aufwand und bei vielen Unternehmen damit zu einem (hohen) Verlust.

Dass die Party mit den steigenden Preisen irgendwann ein Ende haben wird, ist nicht überraschend, hat aber eben nur kaum jemanden interessiert. Da fühlte man sich wie der Nachbar, der die Party mit einem Anruf bei der Polizei mit einer Beschwerde wegen Ruhestörung abrupt beendet.

An diesem Beispiel zeigt sich der Unterschied zwischen Gewinn und Cashflow sehr deutlich: Die Gewinne durch die Wertsteigerungen der Immobilien waren dem Cashflow völlig egal. Denn schließlich ist den Konzernen dadurch keine Liquidität zugeflossen. Dies ist erst bei einem Verkauf der Fall, wenn der hohe Buchwert sich auch in dem tatsächlichen Kaufpreis widerspiegelt.

Stimmt. Durch das knappe Angebot werden die Preise vielleicht wieder zulegen. Denn Bauen ist in den Zeiten explodierender Rohstoffpreise unbezahlbar. Doch darf man auch nicht vergessen: Bei den Bestandsimmobilien ist die Frage des Zustandes nicht zu vernachlässigen.

Ein Blick in den Halbjahresbericht von Vonovia

Die Wertverringerung mag im Verhältnis zum Immobilienbestand (86 Mrd. € zum 30.6.2023) überschaubar aussehen. Doch im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Bild deutlich gedreht: Anstelle eines Gewinns in Höhe von 1,9 Mrd. € im ersten Halbjahr 2022, ist für das erste Halbjahr ein Verlust in Höhe von 4 Mrd. € erzielt worden. Dieser beruht maßgeblich auf dem Wertverlust der Immobilien, die um 6,4 Mrd. € im Wert gesunken sind. Das ist noch überschaubar? Im Verhältnis zum Umsatz aus der Immobilienbewirtschaftung in Höhe von 2,5 Mrd. € im gleichen Zeitraum 2023 dennoch ein hoher Wert.

Und ja, es wurden auch Immobilien oberhalb des Buchwertes veräußert. Das stimmt. Doch vermute ich, dass zuerst die besten Immobilien veräußert werden, die auch in der turbulenten Zeit auf dem Immobilienmarkt noch zu hohen Preisen einen Käufer finden. Immobilien mit einem Rückstau an Instandhaltungen und Sanierungen werden derzeit sicherlich nicht wie warme Semmeln weggehen. Denn dazu kommt hier noch die Frage der anstehenden Sanierungskosten in der Zukunft bezüglich energetischer Sanierungen.

Jetzt zeigt sich in der Kapitalflussrechnung ein anderes Bild: Der Verlust spiegelt sich nicht im operativen Cashflow wider. So wie sich in der Vergangenheit die Gewinne nicht im operativen Cashflow gezeigt haben.

Müssen wir uns Sorgen machen? Denn schließlich kostet Geld wieder etwas und Vonovia hat einen großen Schuldenberg, wie übrigens viele Immobilienkonzerne. Dazu lohnt sich ein Blick zur relevanten Kennzahl des Loan-to-Value (Verschuldungsgrad), die das Verhältnis zwischen den Schulden des Unternehmens und dem Verkehrswert der Immobilien ermittelt. Wenig überraschend: Der Verschuldungsgrad ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen und liegt nun bei 47,2 %. Die Berechnung von Vonovia findet sich übrigens auf Seite 23 des Halbjahresfinanzberichtes 2023, falls Sie die sich das Ganze genauer anschauen möchten.

Fazit:

Da wird sicherlich noch einiges auf uns zukommen, denn wir sind erst am Anfang der Zinswende. Auch wenn die Preise einige Zeit stagnieren und nicht weiter fallen werden: Energetische Sanierungen sind damit umso wichtiger, um den Wert der Immobilien zu erhalten. Auch wenn bei stagnierenden Preisen es wieder leichte Gewinne geben wird, anstehende Instandhaltungsmaßnahmen belasten sowohl den Gewinn als auch den Cashflow. Zumindest ist die Zeit der hohen Gewinne durch explodierende Immobilienpreise für börsennotierte Immobilienkonzerne mit einem IFRS-Abschluss vorbei.

Lesen Sie hierzu auch im NWB Experten-Blog:

Weitere Informationen:

 

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