Home-Office als steuerliche Betriebsstätte

Und Änderungen beim Verwaltungssitz einer GmbH durch zeitgleiches Home-Office aller Führungskräfte?

Die Frage der Betriebsstättenbegründung in fremden Räumlichkeiten umfasst auch die Fragestellung, ob das Home-Office und damit die Privatwohnung eines Arbeitnehmers Betriebsstätte eines Unternehmens sein kann oder ob keine ausreichende Verfügungsmacht über diese „fremden Räumlichkeiten“ besteht. Diese Fragestellung tritt häufig mit der Frage der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte auf, wenn diese Betriebsstätte z.B. abkommensrechtlich mangels Abschlussvollmacht oder mangels Vertretereigenschaft eines Organs der Gesellschaft abgelehnt wird.

Eine Betriebsstätte ist nach deutschen Abgabenrecht jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, wobei auch die Kriterien Ortsbezogenheit, Nachhaltigkeit und Verfügungsmacht eine weitere Konkretisierung dafür geben. Der Unternehmer muss jedenfalls eine gewisse Verfügungsmacht darüber haben.

Diese Frage kann jedoch auch dann auftreten, wenn festgestellt wird, dass die Geschäftsleitung an eine bestimmte Person gekoppelt ist, die überwiegend oder vollständig von ihrem Home-Office aus arbeitet, und damit die Privatwohnung als Ort der Leitung des Unternehmens anzusehen ist.

Die OECD hat diese Problemstellung auch im Diskussionsentwurf 2013 zur Zuordnung von Gewinnen zu Betriebsstätten aufgegriffen und schlägt eine Ergänzung vor. Demnach soll die Ausübung der Unternehmenstätigkeit in den Räumlichkeiten eines Arbeitnehmers nicht zwangsläufig zur Ablehnung einer Betriebsstätte führen; vielmehr soll eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden. International gibt es den Trend, die Anforderungen an eine Betriebsstätte zu senken. In Österreich ist man der Auffassung, eine Betriebsstätte liege bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer in Abstimmung mit dem Arbeitgeber seine Tätigkeit in nennenswertem Ausmaß, das bedeutet rund 25 % der Gesamtarbeitszeit, von seinem Home-Office nachgehe.

Nach Ansicht der anderen Stimmen sind ohnehin viele Fälle, in denen Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten, nur von zeitweiser oder gelegentlicher Art, so dass keine Verfügungsmacht des Arbeitgebers anzunehmen sein soll.

Jedoch soll in solchen Fällen, in denen das Home-Office regelmäßig oder sogar durchgehend genutzt wird und es sich ausgehend vom Sachverhalt eindeutig feststellen lässt, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer vorgibt, das Home-Office zu nutzen, auch das Home-Office eine Betriebsstätte des Unternehmens begründen können.

So soll der Fall auch liegen, wenn das Unternehmen dem Arbeitnehmer kein Büro zur Verfügung stellt, obwohl sich aus dem Charakter des Beschäftigungsverhältnisses eigentlich die Notwendigkeit eines Büros ergibt.

Sollten diese Änderungen tatsächlich im nächsten Update des OECD-MK nochmals aufgegriffen und umgesetzt werden, dürften sich daraus erhebliche praktische Probleme ergeben. Dies scheint die Gesetzgebung selbst auch zu sehen und nimmt bereits vorsorglich eine Einschränkung mit in den Entwurf zur Tz. 4.9 des Musterkommentars dahingehend auf, dass in den meisten Fällen, in denen sich die Frage der Betriebsstättenbegründung stellt, ohnehin das Unternehmen eine feste Geschäftseinrichtung im selben Staat unterhalte, „an die der Arbeitnehmer berichte“.

Außerdem seien die im Home-Office ausgeübten Tätigkeiten überwiegend lediglich vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten und damit greife ohnehin der Ausschlusstatbestand des Art. 5 Abs. 4 Buchst. e OECD-MA ein.

Diese Einschränkungen der OECD können keinesfalls überzeugen. Insbesondere in Zeiten günstiger Flugverbindungen und der umfassenden Möglichkeiten des Zugriffes auf Firmennetzwerke durch gesicherte VPN-Verbindungen besteht die Gefahr der grenzüberschreitenden Home-Office-Betriebsstätte nicht nur für den klassischen Grenzpendler. Auch der Hinweis auf Art. 5 Abs. 4 OECD-MA geht fehl und ist nicht überzeugend.

Viele wertschöpfende Bürotätigkeiten lassen sich nahezu ohne jegliche Einschränkung auch über ein Home-Office erledigen, soweit dort eine gewisse Organisationsstruktur sichergestellt ist.

Es trifft jedoch zu, dass in vielen Fällen das Home-Office lediglich eine Ergänzung des normalen Arbeitsplatzes ist. Selbst wenn der Arbeitnehmer in diesen Fällen den Hauptteil seiner Tätigkeit nicht im Büro, sondern von seinem Home-Office aus durchführt, verbleibt es auch nach den möglichen Ergänzungen des Musterkommentares bei dem Ergebnis, dass das Unternehmen keine Betriebsstätte begründet. Unternehmen, die nach dem ersten Lockdown Mitarbeiter in erheblichen Umfang weiterhin im Home-Office arbeiten lassen wollen, um langfristig Mietkosten zu sparen, müssen vorsichtig agieren. Gerade bei internationalen Unternehmen ist es notwendig, die Steuerrisiken der geplanten Home-Office-Konzepts vorrangig zu analysieren. Ansonsten besteht das Risiko, dass die angestrebten Kosteneinsparungen durch unerwartete Steuerrechnungen und erhebliche Verfahrenskosten eliminiert werden.

Zu prüfen ist in jedem Fall in diesen Fallkonstellationen auch, ob der Home-Office -Mitarbeiter nicht ggf. eine Vertreterbetriebsstätte begründet.

In einem in Corona-Zeiten denkbaren Fall, dass bei einer GmbH die beiden Gesellschaftergeschäftsführer sowie drei Prokuristen allesamt in einer Ortschaft, die nicht dem tatsächlichen Verwaltungssitz der GmbH entspricht, zeitgleich ins Home-Office gehen, muss ferner die Diskussion aufgeworfen werden, welche Konsequenzen dies für die GmbH und die Geschäftsführer in punkto Handelsregister, etc. bereits im Inland haben kann. Dies für den Fall, dass z. B., dass nach einem Lockdown das Home-Office ein Zeitraum von mindestens 6 bis 12 Monate fortgesetzt wird.

Selbstverständlich spielt die Zeitdauer dieser Home-Office-Abwesenheit der Gesellschaftergeschäftsführer die maßgebliche und wesentliche Rolle.

Gesellschaftsrechtlich ist dabei sicher Folgendes von Bedeutung:

Der Sitz der Gesellschaft muss in der Satzung angegeben sein. Die Festlegung des Sitzes unterliegt der freien Entscheidung der Gesellschafter. In der Regel befindet sich der Sitz dort, wo sich die Geschäftsleitung oder die Verwaltung befindet. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Überseering“, EuGH 5.11.2002 – C-208/00) bleibt die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bei einer Sitzverlegung in einen EU/EWR-Staat erhalten. § 4a Abs. 2 GmbHG a. F. stand dem Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Satzungssitz allerdings entgegen.

Durch die Streichung des § 4a Abs. 2 GmbHG durch das MoMiG ist es deutschen Gesellschaften nun möglich, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht mit dem Satzungssitz identisch ist.

Dieser Verwaltungssitz kann auch im Ausland liegen. Zum Schutz inländischer Gläubiger muss in diesen Fällen auch eine inländische Geschäftsanschrift zur Eintragung ins Handelsregister angegeben werden. Unter dieser Anschrift können alle Zustellungen erfolgen, wobei eine unwiderlegbare Vermutung begründet wird, dass der  Geschäftsführer unter der eingetragenen Adresse erreicht werden kann. Damit können inländische Konzerne ihre Auslandstöchter auch in der Rechtsform einer GmbH führen.

Abschließend bleibt zu untersuchen, ob bei einem dauerhaften Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz der Verwaltungssitz gar eine Haupt- oder Zweigniederlassung nach HGB und GmbHG ist.

Nach neuem Recht ist es möglich, dass am Satzungssitz nur ein Briefkasten existiert und sich die Geschäftstätigkeit von einem Verwaltungssitz entfaltet, der an einem anderen Ort liegt. Mag dieser Ort dann zwar rein faktisch eine Hauptniederlassung sein (Otte, in: BB 2009, S. 344,  345), so ändert dies nichts daran, dass das Gesetz bei Handelsgesellschaften den Begriff der Hauptniederlassung nicht verwendet und stattdessen auf den Sitz der Gesellschaft abhebt.

13 HGB bestimmt, dass die Registerzuständigkeit für sämtliche Niederlassungen am Ort des Sitzes der Gesellschaft konzentriert wird, so dass dann, wenn der Satzungssitz von dem Ort des Verwaltungssitzes abweicht, der Satzungssitz entscheidend sein muss (Pentz, in: Ebenroth/Boujong.u.a., HGB, § 13 Rn. 20, 26). Dies hat zur Folge, dass für den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes eine Zweigniederlassung beim Register des Satzungssitzes nach § 13 Abs. 1 HGB bei gewisser Dauer anzumelden ist, die dort gemäß  § 13 Absatz 2 HGB eingetragen wird (Wicke, GmbHG, 2008, § 4a Rn. 7; Heckschen,  DStR, 2009, 168 ff.) und nur die Verlegung des Satzungssitzes ein Anwendungsfall des § 13h HGB ist.

Fazit:

Es bleib abzuwarten, was durch die zweite Corona-Welle hier noch auf allen Ebenen passiert und durch die Ankündigung der US- Tech-Konzerne, u.a. Google, Mitarbeiter gar bis 30.06.2021 in Home-Office arbeiten zu lassen.

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